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Jugend: Münchner illustrierte Wochenschrift für Kunst und Leben — 32.1927, Band 1-2 (Nr. 1-54)

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Nr. 43
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https://doi.org/10.11588/diglit.6659#0920
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-Der Diüud;er Äonra&28efti,rmanr +

(Besitzc. r: Graph. Kabprvett, Müiichcn, Brieunerstpaßc)

© IL A\ IF

HERMANN KESTEN

Der Himmel war von einer heiteren Höhe. Olaf ging durch die
engen Gassen der alten Stadt. Die dumpfe Lust, die matte Schwüle,
der graue Stein der Häuser, die Fremdheit und Häßlichkeit der Klein-
bürger, die durch diese verschollenen Gassen gingen, vor ihm, neben
ihm, hinter ihm, da gingen sie und wurden nicht weniger, all dies sah
und fühlte der Knabe Olaf wie man den Feind fühlt, in einer großen
Schlacht etwa, oder Ivo man gerade Feinde hak, er weiß es nicht.

Der Knabe ist groß und nicht mehr jung. Er ist dreizehn Jahre alt.
Er geht sehr dicht an den Häusern hin, mit der Jnnenstäche der harten,
schrundigen, braunen Hand die verschiedene Härte und Sprödigkeit
des Gesteins prüfend. Sein Haar ist von etwas mattem Braun, die

Winkel seiner Augen gerötet, die Linien seines Mundes herabgezogen.
Er trägt kurze Hosen, aber schon einen steifen Kragen um den Hals,
die Fessel der Zivilisation schon um den Hals, er ist schon erwachsen,
er möchte weinen oder schreien gerade jetzt, aber er tut es nicht, nur
mit zwei Fingern fährt er alle zwei Minuten zwischen Kragen und
Hals, etwa als lockerten die Finger die Engniö.

Er fühlte sich beengt, eingeengt, in ein Wirrsal eingeschlossen, wo
jeder Weg in Kummer führt oder in Verzweiflung, oder in alles beides
hinein; er möchte schon ein eigenes Leben haben, schon ein Mensch
für sich sein, schon nach vorne schauen können, groß sein, erwachsen
sein, aber nicht wie diese, die er kennt. Diese Erwachsenen sind nicht
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Konrad Westermayr: Der Raucher
Hermann Kesten: Olaf
 
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