Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Jugend: Münchner illustrierte Wochenschrift für Kunst und Leben — 32.1927, Band 1-2 (Nr. 1-54)

DOI Heft:
Nr. 46
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.6659#0970
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Buntheit mit Si'nnenfreude zu würzen und kam endlich so weit, der
jungen Dame, der reglos an eine Gebärde des Lauschens hingegebenen,
vor einem Kinderhemdlein, das er aus einer Lade hervorgekramt hatte
— es war vergilbt und morsch und zerfiel ihm fast in der Hand — die
frechste, leichteste, lüsternste kleine Historie.zu erzählen, die sich erdenken
läßt. Der Schritt, mit dem er den Armstuhl umkreiste, der Schritt des
alten Zauberers toard fast jugendlich und beschwingt, die Stimme des
greisen Kavaliers blühte auf und vibrierte wie die eines Knaben, es
jtraffte sich seine Seele noch einmal unter dem Abenteuer, das, her-
gezerrt durch die verfallene Zeit, von List, Triumph und Gelächter
Funken sprühte, und endlich langsam mit dem kunstvoll gebändigten
Sinken der Rede stiller ward und verglomm. Casanova verstummte,
trat mit dem leisen Tritt des Verführers neben den Sessel und beugte
sich nieder.

Da aber erwies es sich, daß dag Freifräulein von Trenck tief ein-
geschlasen war. Ihr junger Kopf war im Schlummer müde zurück-
gesunken auf die Lehne des Stuhles, durch offene, trotzig aufgeworfene
Kinderlippen strömte der liebe Lebensatem ein und aus, die erblühenden
Brüste zeichneten ihre Spitzen durch das duftige Kleid, und ein unfaßbar
lichtes und fernes Lächeln war über das schlafgelöste Antlitz gegossen.

, Der berühmte Jakob Casanova, der Abenteurer, schlich still aus dem
Raum. Als das Fräulein schon längst erwacht und fortgegangen war,
durch die abendlich verschatteken Felder weiterschreitend gegen die
dunkelnde Stadt, kam der Alte aus seinem Versteck hervor und ver-
sperrte mit zitternden Händen die Kammer seiner Triumphe.

Wenige Tage später siel er erneut in Krankheit, ein langsam aus-
zehrendes, fiebriges Leiden, von dem er sich nicht mehr erhob.

ll in sch tun gen

(L i n d e n - V e r l a g>

Karl Hofer

Im AuöbildungSknrS für „Armeestandöoffiziere", welche für „Trup-
pendienst" nicht mehr geeignet und nur mehr für den „inneren
Garnisonsdienst" bestimmt waren, wurde beim Schlußexamen des
Jahres 1907 die folgende Frage gestellt:

Annahme: Kondukt eines kommandierenden Generals.

Ort: Zentralfriedhof.

Zeitpunkt: Der Kommandant des Kondukts hat eben die Aufstellung
der Geleittruppe am Grabe beendet.

Meldung eines Sargträgers: „Die Leiche Seiner Exzellenz hat in
gut vernehmlicher Weise an den Sarg geklopft. Der Sarg wurde
schleunigst geöffnet. Seine Exzellenz erschien wohl sehr schwach, aber
keineswegs gestorben."

Was macht der Kommandant des Kondukts?

Antwort Nr. 1: „Ich melde mich bei der Leiche Seiner Exzellenz,
übergebe das Kommando und bitte um weitere Befehle."

Note: Ungenügend.

Antwort Nr. 2: „Ich schicke um einen Oberstabsarzt und bitte Seine
Exzellenz, weitere Eingriffe in den statthabenden Kondukt bis zur
Erstattung oberstabsärztlichen Gutachtens über den Grad seiner Ge-
storbenheit, beziehungsweise Lebendigkeit, zu unterlassen."

Note: Kaum genügend.

Antwort Nr. 3: „Ich erstatte Seiner Exzellenz, dem Herrn Stadt-
kommandanten, beziehungsweise, falls die Leiche von höherem Rang ist
als dieser, Seiner Exzellenz dem Herrn Kriegsminister telephonische
Meldung vom reglementwidrigen Verhalten der Leiche."

Note: Genügend.

Antwort Nr. l\\ „Ich lasse den Sarg wieder schließen und reglement-
mäßig beerdigen, da laut Dienstreglement 2. Teil § 374 jedem Offizier
nur ein Kondukt gebührt."

Note: Vorzüglich.

Der neuecnannte Lemberger Oberst-Brigadier Graf von Stolzenstein
inspiziert zum erstenmal die in Pzremislann dislogierte Eskadron. Das
Offizierskorps meldet sich.

„Herr Oberst, Rittmeister Prinz Fichtenburg stellt sich gehor-
samst vor."

„Servus, SecvnS, freu mich, dich kennen zu lernen. Wir sind, glaub'
ich, durch die Lattenbergs bißl verschwägert."

„Herr Oberst, Oberleutnant Graf von der Pfalz stellt sich gehor-
sam st vor."

„Servus, ServuS. Es ist doch dein Bruder, der die schöne Jagd in
der Tatra hat? Ja, ja. Da Hab' ich öfters gejagt. Grüß ihn schön,
wennst ihm schreibst."

„Herr Oberst, Leutnant von Macinowski stellt sich gehorsamst vor."

„Servus, ServuS. Nicht wahr, die Hutomirska, die Fanczy Huto-
micska, die iS doch deine Mutter? Ja, ja, die hat früh geheirat'. Ich
Hab oft mit ihr getanzt. Sie war die schönste Komtess' in Wien,
damals. Das macht mir Spaß, daß ich dich jetzt unter mir Hab'."

„Herr Oberst, Leutnant Kapst stellt sich gehorsamst vor."

„Kapfl?"

„Jawohl, Herr Oberst, Kapst."

Der Oberst wurde nachdenklich. Nach einer Pause sagte er gütig:
„Mein lieber Kipst, Kapst oder Kupst, machen Sie sich nichts draus."

„Erzengelprüfung" im alten Oesterreich.

Hauptmänner, die „am Major stehen", unterziehen sich ihr. Die
Alternative ist: Majorsrang oder Pensionierung. Neun Zehntel aller
Prüstinge sind von vornherein zum Durchfall bestimmt. Es gibt viele
Hauptmanns- und wenig Majorsstellen. Nur „Erzengel" reuistieren.

Ein neuer Prüsting tritt vor und erkennt sogleich sein unabwend-
bares Schicksal an den hochgezogenen Brauen des Generals, welcher
sagt:

„Herr Hauptmann, Sie stehen mit Ihrem Bataillon auf einer
Brücke. Links der reißende Fluß, rechts der reißende Fluß. Dorn ein
feindliches Regiment, hinten eine feindliche Brigade. Herr Hauptmann,
was machen Sie?"

„Exzellenz, ich melde gehorsamst, ich geh' freiwillig in Pension."

948
Register
Karl Hofer: Umschlungen
[nicht signierter Beitrag]: Geschichten aus dem alten Oesterreich
 
Annotationen