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Jugend: Münchner illustrierte Wochenschrift für Kunst und Leben — 34.1929, (Nr. 1-52)

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Nr. 11
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Kabine, zog jich einen Deckstuhl zu uns heran und begann ohne weitere
Einleitung von den letzten Jahren feines Lebens zu erzählen, um so
Miß O'Neil zwischen zwei Aktschlüssen, förmlich in Parenthese, die
Erklärungen zu geben, die anzuhören sie berechtigt war. Sein schönes,
braunes, energisches Gesicht blieb während der Stunde, in der er
die seltsam verschlungenen Fäden seines Schicksals vor uns entwirrte
und ausbreitete, vom Lichte des Mondes voll beleuchtet, und wir
hatten Gelegenheit, das lebhafte Feuer seiner Hellen Augen, die große
Ausdrucksfähigkeit seiner regelmäßigen angelsächsischen Züge und das
fanftironische Lächeln seines Mundes zu bewundern, das die tadel-
losen Zähne unter seinen bartlosen Lippen entblößte.

„Nach dem FriedenSschluß von Versailles nahm ich, angewidert
von dem Treiben der Diplomaten und angeekelt von den ganzen
trostlosen Erscheinungen der Nachkriegszeit, meinen Abschied, kann
jedoch nicht leugnen, daß ich, durch Not gezwungen, mich meiner
Verbindungen in Indien und vorzüglich in Burma erinnerte und
— ich spreche offen zu Ihnen — an der Organisation deS europäischen
Rauschgifthandels tätigen Anteil nahm. Daß Menschen von Charakter
Kokain, Heroin oder Morphium nicht gebrauchen, wissen Sie ohnedies.
De'' völlige blntergang von neureichen Schwächlingen und mondänen
Dämchen hat mein Gewissen nicht eine Sekunde lang belastet. Ich
erwarb mir in kürzester Zeit ein großes Vermögen, dessen Annehmlich-
keiten ich unauffällig und bescheiden genoß. Das ging solange hin,
bis ich die russische Tänzerin Jelisaweta Nikutowska kennen lernte
und zu spielen begann.

Die Nikutowska war ein ganz merkwürdiges Geschöpf. Sie hatte
das Antlitz eines Engels, schön und primitiv, wie man eS etwa ans
den allrussischen gvldgrundierten Ikonen anbeten kann. Dabei war
ihre Seele von einer interessanten, naiven Verderbtheit, Blut und
Sinne wie elektrisch geladen mit der kindlichen Perversität eines

unausdenklichen Vernichrungswillens, der auch harte Männer wie
mich zu ruinieren imstande war. Aus ihrer — wie kann ich Ihnen
das genau schildern? — vrphischen Vergangenheit kamen geheimnis-
volle Kulte voll morbidem Grauen ans Licht unserer entgötterten
Tage. Jelisaweta hatte die Kunst der Lüge so ungeheuerlich ver-
vollkommnet, daß ich mir manchmal vorkam wie eine der Gestalten
PoeS zwischen Traum und Verwesung, nicht mehr imstande, daS
Wesenhafte vorn Wesenlosen, das Wesentliche deS Lebens vom Un-
wesentlichen verrotteter Gefühle zu unterscheiden.

Ich will Sie nicht mit Einzelheiten langweilen. Es genügt, wenn
ich Ihnen sage, daß sie mich mehr als einmal vor die Türen der
Liebhaber eben vergangener Nächte führte, um stch an meinem
fassungslosen Entsetzen zu erfreuen, wenn sie mir in diesen Fällen
ausnahmsweise die Wahrheit sagte.

Sie betrog mich, und ich muß zu meiner Schande gestehen, ich
war inoralisch so grenzenlos herabgekommen, daß mich die maßlose
Erniedrigung befriedigte, die ich empfand, wenn Jelisaweta aus den
Armen anderer Männer zu mir zurückkani, um zu versichern, sie
liebe nur mich allein wirklich.

Mein Vermögen ging zum Teufel. DaS Mädchen führte mich
überdies in alle vornehmen Spielklubs ein. Und ich, der bisher
Hazard als Sinnlosigkeit verachtet hatte, begann, mich mit den merk-
würdigen vagen Gesetzen des Zufalls zu beschäftigen, die, obwohl sie
unzweifelhaft existieren, stch nie mit den Gesetzen deö inenschlichen
Denkens in eine dauernde oder bestimmte Verbindung bringen lasten.

Jelisaweta und daS Spiel ruinierten mich.

Eines Vormittags befand ich mich mit meinem letzten Gelde in
der Tasche bei „Tonellj" zum Lunch und dachte darüber nach, was
ich nun beginnen würde. Die Geschäfte hatte ich vernachlässigt und
die Leute wollten nicht mebr mit mir arbeiten, weil ihnen durch meine
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Christian Beyer: Am alten Hafen von Marseille
 
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