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Jugend: Münchner illustrierte Wochenschrift für Kunst und Leben — 34.1929, (Nr. 1-52)

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Nr. 16 (Auto-Nummer)
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https://doi.org/10.11588/diglit.6761#0252
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EtLenne besaß außer seinem Namen und
dem Anblick seiner Vaterstadt Brüssel nichts
auf der Welt als seinen Beruf. Er war
Stadtreisender. Seine Herkunft blieb ewig
ungeklärt. In durchaus ungewöhnlicher Ein-
tracht einigten sich die zahlreichen in Betracht
kommenden Herren, das Verdienst an der
Faktur Etiennes strikt abzulehnen. Solcher
erschreckende Mangel an Verantwortungs-
gefühl charakterisiert dieses ganze Jahrhundert.

Jeder Mann hat die Frau, die er verdient.
Es wird also niemand wundern, daß EtienneS
Mama, bar aller etwaigen Muttergefühle,
für ihr eigenes Fabrikat aufzukommen ab-
lehnte und das Baby dem Schutze der mütter-
lichen Nacht und einem hölzernen Treppen-
aufgang überließ.

Etienne wuchs im Waisenhaus hoch, in
seiner bescheidenen Art. Mit 16 Jahren hatte
er die Größe eines elfjährigen Kindes, mit 25
war er 1,50 Meter groß. Auf diesem zarten
Körper saß ein Mongolengesicht. Hätte
Etienne eine Generalversammlung seiner
eventuellen Väter einberusen können, er hätte
ohne weiteres in auswallendem SohneSgesühl
seinen geliebten Papa in jenem Chinesen
erkannt, der vor etwa einem Vierteljahr-
Hundert Etiennes Mama zu dem Besitz eines
(unechten) Perlkolliers verholfen hatte.

Etienne, jung, fast tugendhaft, ohne nennens-
wertes Einkommen, anspruchsvoll und grund-
häßlich, vermochte in der unausrottbaren
Hostensfähigkeit aller Kreatur nicht, den

VON GINA KESTEN

Gedanken an Liebe auSzurotten. Er war ein
Träumer. Er litt. Er wäre nie glücklich
geworden, aber sein Leben wäre still und ein-
fach verlaufen, das Leben eines Stadtreifenden
für Schreibsachen und Galanteriewaren in
Brüssel.

Da grist' der „Soir", das Organ der
belgisch-liberalen Partei, in Etiennes Schicksal.
Etienne las unter der Rubrik „Vermischtes":
„Auto! Auto! Blondine, 18 Jahre, sucht
Freundschaft in modernem Sinn mit nur
Herrenfahrer. Besitzer belgischer Automarken

a

cime

am

Sie fährt in einer weißen Wolke kühn
an mir vorüber mit gekrausten Lippen,
und ihre Wangen, ihre Augen glüh'n.

Sanft bebt die Brust auf ihren strasten Rippen.

Der schlanke Wagen ist fast himbeerrot,
und silbern glänzt ein Panther auf dem Kühler.
Sie lenkt, wo man sie sieht. Sie ist Despot,
und meine Nerven brennen immer schwüler.

Denn man ersehnt Gefahren, Rastinement,
und will betört in Illusionen schweben. . .
Stets sitzt die Frau im Leben am Volant
nud führt uns aufwärts oder auch daneben.

Herbert Sirutz

erhalten den Vorzug. Antwort an die Redak-
tion unter ,Aline."

Etienne las die Annonce und erkannte:
Schicksal! Aber Etienne ging nicht auf ge-
meinen Betrug aus, dachte nicht, Alme zu
täuschen, wollte nur träumen, lächelnd, im
Traum lächelnd denken, er wäre glücklich.

blm des Traumes, um der Fiktion willen,
unschuldvollen Herzens, kindlich rein, ging der
Jüngling auf den Vorschlag AlinenS, sich zu
treffen, ein. Ort: Bahnhofsplatz. Kennzeichen:
rotes Buch und rote Nelke in Händen AlinenS.
Neben dem Zeitungskiosk stand, da Etienne
im Sonntagsanzug herankeuchte, ein junges
Mädchen, rote Nelke im Arm, rotes Buch in
der Hand.

bind sie war schön: Lange, seidige Wimpern,
pstrsichartiger Schmelz der Wangen, dunkler,
glühender Blick, ephebenhafte Gestalt, Gott,
sie war schön. Etienne glaubte, die 37. Fort-
setzung des Zeitungsromans des „Soir“ zu
lesen. Dort sahen die jungen Mädchen genau
so aus.

Etienne, ein wenig äußerer Defekte sich
bewußt, kein Autobesitzer, nicht einmal aus-
ländischer Marke, stand und dachte zitternd,
daß er nur um der Vervollkommnung seiner
Illusionen da sei. Denn er hatte beschlossen,
das blonde Wunder zu sehen, nach Hause
zurückzugehen und Alinen zu schreiben, bei
einem binfall sei (leider) sein Wagen zer-
trümmert, er selber zerbrochen, und also sei es
ihm unmöglich, Alinen jemals zu sehen.

(Fortsetzung S. 253/

Aut0-GeschicklichkeitScennen in Baden-Baden

P. A. Gekle
Index
Peter Anton Gekle: Auto-Geschicklichkeitsrennen in Baden-Baden
Gina Kesten: Auto! - Auto!
Herbert Strutz: Dame am Volant
 
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