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Jugend: Münchner illustrierte Wochenschrift für Kunst und Leben — 34.1929, (Nr. 1-52)

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Nr. 24 (Sondernummer: Österreich)
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https://doi.org/10.11588/diglit.6761#0381
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J U G E

3 4. JAHRGANG

Ischl, eine Anordnung von Häusern, Ber-
gen, Hotels, Gewässern, rund um den Zucker-
bäcker Zauner, bewohnen die Jschler, eine
freundliche Menschengattung, die teils von
Sommergästen, teils von stolzen Erinnerungen
lebt.

Ischl war dereinst S'ejour. Jetzt ist es nur
noch Aufenthalt. Die Jschler tragen diese
Minderung ihres Städtchens mit Würde. Doch
können sie nicht ohne Wehmut davon sprechen,
wie eS einstens war. Der Gastwirt, der die
Ehre hatte, achtundneunzigmal den Monar-
chen die Stiege hinabzugeleiten, hütet in seines
Herzens Schrein diese achtundneunzigmal —
zwei nur fehlten dem Pechvogel auf hundert!
— mit so zärtlichem Geiz, wie ein Sammler
seine kostbarsten Stücke. Der Droschken-
kutscher, dem das Glück zuteil ward, eine

or=^jsowivner in

VON ALFRED POLGAR

Kaiserliche Hoheit des öfteren spazieren zu
fahren, kränkt sich, daß er solches Ver-
mächtnis nicht in irgendwelcher greifbaren
Form, sondern nur im Aggregatzustand der
Legende Kindern und Enkeln hinterlasten
kann. Die Rehe im Revier Haben noch um
eine Nuance schwermütigere Augen bekom-
men, als sie der Schöpfer ihrem zierlichen
Haupt eingesetzt hat. DaS Leben dünkt ihnen
zwecklos, da es von keinem Sterben durch die
Hand hoher und höchster Waidmänner ge-
krönt sein soll. Was beginnt patriotisches
Tier-Volk mit seinem Blut, wenn eS dieses
nicht für einen erlauchten Herrn verspritzen
darf? Fast scheint eS auch, als habe sogar
das Klima Ischls sich verändert, als produ-
zierten die Gewächse dort nicht mehr so
hochprozentiges -Ozon, seit sie der Würde und

Bestimmung, Hoflieferanten zu sein, verlustig
gegangen sind.

Aber vielleicht dünkt daS nur dem empstnd-
samen Wanderer so, dessen Fuß auf Schritt
und Tritt in dem dicht über Jschler Erde
gespannten Netz imperialer Erinnerungen sich
verfängt. Hier die Bank, die von fürstlichem
Ruhebedürfnis geadelt ist. Dort die Linde,
deren Laub davon stüstert, daß unter ihm
nicht zwei- oder dreimal, sondern wiederholt
der Erzherzog Kastee trank. Ein Aussichts-
punkt, von dem jene Prinzessin mit siebzehn
Vornamen gern träumend in die Ferne
schaute. Eine Promenade, die, vom Kaiser
morgendlich bewandelt, dessen Verdauung
günstig beeinstussen durfte. Lleberall Finger-
abdrücke jener weisen Hand (von der in der
Volkshymne gesungen war), tief eingeprägt
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Felix Albrecht Harta: Dürnstein an der Donau
Alfred Polgar: Vor-Sommer in Ischl
 
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