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Jugend: Münchner illustrierte Wochenschrift für Kunst und Leben — 34.1929, (Nr. 1-52)

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https://doi.org/10.11588/diglit.6761#0563
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fresse ne n Boden, der sich bräunlich rostend
zerrissen zeigt. DaS Oberteil des Topfes im
Walde ist noch gut; aber der Boden taugt
nicht mehr, bind nun ruht er auf der Mär-
chenwiese von seinem Küchenleben aus. Für
Sie aber ist die Märchenwiese plötzlich ent-
göttert. Denn der alte blaue Topf führt
Sie in eine heiße Küche und die sorgenvolle
Enge des Alltags zurück. Fort, nur fort von
diesem Topf!

Sie eilen davon, den tiefen, den ver-
gessenen, den menschenfernen Wald zu suchen,
den topflosen, mit einem Wort. Aber nach
einer halben Stunde Waldwanderung finden
Sie im tiefsten Dickicht der Schonung mitten
zwischen Erdbeerblüten und wilden Blumen
wiederum den Topf im Walde. Da liegt er,
aus blauer Emaille, mit einem rostbraunen,

Jeanne Mammen

zerrissenen Boden und ruht sich von seinem
Küchendasein aus. Er ist 2$nen gefolgt.
Ganz offenbar und boshaft ist er 2fönen
gefolgt!

Jetzt aber erfaßt Sie der Sportsgeist. Sie
denken sich, daß eS doch möglich fein muß,
dem Topf im Walde zu entgehen. Daß doch
einer von Ihnen — Sie oder der Topf —
Sieger bleiben muß. lind Sie beginnen be-
wußt die Flucht vor dem Topf im Walde.
Aber wie der Verfolgte überall den Rächer
sieht, so sehen auch Sie nun geschärften
Blickes überall den Gegenstand des Abscheus.
Er trägt, um besser irre führen zu können,
verschiedenerlei Gestalt. Er wandelt sich in
einen Teekessel, einen Eimer, ein Sieb.
Immer aber ist er aus blauer Emaille,
mit einem müden, rostzerfressenen, arbeits-

Plauderei

„Welchen Zweck kann die Ehe überhaupt schon haben?"

„Daß die Kinder glauben, sie hätten einen gemeinsamen Vater."

gebräunten Boden. Dennoch aber ist eS der
alte, der unvermeidliche, der Topf im Walde.
Als Sie ihn, während zweistündiger Wan-
derung, zum siebenten Male treffen, da
geben Sie eS auf. Da beginnen Sie nach-
zudenken. Sie sagen sich, daß es offenbar
eine geheime, weitverbreitete und mächtige
Vereinigung gibt, die eS sich zur Aufgabe
gemacht hat, den Wald mit lebensmüden
Töpfen zu versehen. Denn Sie erinnern sich
jetzt, daß Sie den Topf bereits trafen Ln
den Wäldern von Thüringen und Franken,
von Baden und Bayern; im Harz, den Pyre-
näen, der Hohentatra und im Riefengebirge;
in den Abruzzen, in Korsika und den Kor-
dilleren. Daß es somit entweder einen im
Walde wachsenden, küchenmüden Topf geben
muß oder aber die erwähnte Geheimverbin-
dung zur Verteilung des Topfes im Walde,
eine internationale G. m. b. H. Aber nun
möchte ich diese Frage an Sie richten: haben
Sie schon einmal einen Menschen gesehen,
der einen solchen Topf trug, um ihn an den
entlegensten Waldstellen still und ehrfürchtig
„niederzulegen"? Oder haben Sie einen Be-
kannten, der einen Freund hat, der schon
solchen Menschen sah? Wenn ja, lassen Sie
eS die Oeffentlichkeit wissen. Denn eS wäre
verdienstvoll, im Sinne der Wissenschaft,
auch dieses Mysterium einer natürlichen
Lösung zuzuführen; vor allem aber ergrün-
den zu können, warum, wodurch und wozu
sich der Topf jm Walde befindet? Bedeutet
er eine Mahnung an die Eitelkeit alles Ir-
dischen? Sagt er: „Ich verlor die schöne
blaue Emaille, auch du verlierst die schöne
Emaille?" Oder sagt er: „Memento, Mensch,
die Küche!" Wo man doch den ganzen Kram
so gern vergessen möchte. Was, o Mensch,
tut der Topf im Walde?

Else Marquai'dsen-Kamphövener

dem C^JoLev

Du siehst die Gäste torkelnd niedersteigen
und schließt die Tür — und denkst noch an

den Riegel —

und schaust du dann zufällig in den Spiegel,
wird sich kein Bild taufrischer Schönheit

zeigen — —

Blau blüht der Morgen durch die Jalousieen
auf des verbrannten Tischtuchs graues Elend,
viel Zigarettenreste, leise schwelend,
erzählen von der Nacht erregten Mühen —
Da liegen noch die Karten wüst verstreut:
du siehst sie an — den Mund umfurcht von

Gram —

und schließt sie in das Schubfach wie in Scham
vor jener biedren Frau, die dich betreut.

-Warum kriegt man die rechte Karte nie:

den vierten Vierling — Coeur zu den vier

Coeur —?

Warum fällt Gott nur ein Royal-Flush so

schwer,

den kindlich man erhostt von spät bis früh—?!
Nun sitzt du ausgepovert-fröstelnd da —
und wenn die Amseln hell durchs Fenster

pfeifen,

kopflchuttelst du und kannst eS schwer begreifen,

warum so viel vergebliches geschah-—

Karl Kinndt

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Karl Kinndt: Nach dem Poker
 
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