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Jugend: Münchner illustrierte Wochenschrift für Kunst und Leben — 34.1929, (Nr. 1-52)

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JUGEND

er (—y/anjejager

VON KARL HEINRICH BISCH OFF

Am Morgen ging der Motor einfach nicht. Es war früh, fröstelig,
Herbst, die Feuchtigkeit hatte sich in -die Kleider gesetzt und machte das
Gesicht ernst. Über dem «breiten Wasser des Fluges der Niederung
zogen Nebel, jenseits, vom andern Ufer, aus den Schilfbüschen hallten
kurz und dumpf die Schüsse der Bauern auf Enten. Der ziehende
Nebel hatte die Ufer weit auSeinandergerückt, aber man konnte deut-
lich hören, wenn drüben ein Vogel matt und tot aufs Wasser klatschte
oder — mit einem Flügel nur noch — davonhastete. Mein Hund
versuchte seine Nase, der Nebel nahm ihm alle Witterung, und daS
Tier winselte leis. Doch der Motor, der war immer noch ein Biest!
In der Frische wollte er nicht zusassen. Man konnte wahrhastig
meinen, daß das Boot noch keine Last hatte, den weißen Körper ins
kalte Wasser hinauszuschieben. Dom nahen Hof kam jetzt eine
Bäuerin, die dürren, nackten Arme frierend unter der Schürze, und
schaute zu. Dann ging «sie, anscheinend frierend, kehrte aber gleich
wieder und brachte wortlos warme Milch. Ich schaute ihr dankbar
in die Augen und sah, daß sie wundervoll blau waren und tief und
klar. Aber mein Freund spuckte nur verächtlich aus und griff nach
seiner weniger harmlosen Flasche. Plötzlich klappte es. Der Motor
lief auf einmal. Ich ging ans Steuer, hantierte sachgemäß, und wir
drängten in den grauen Herbstmorgen hinein. Der Bäuerin wurde
noch zugewinkt, aber sie erwiderte nichts, sie schaute uns nur ruhig
nach. Dann verschlang sie der Nebel. —

Weitverteilt hinterm Deich liegen die Bauernhöfe. Einsamer um
diese Jahreszeit denn sonst, herrisch und heidnisch. Die Eichen über
dem Strohdach sind kahl und zackig. —

Reiher stiegen in den Morgen, Bekassinen fuhren -im Zickzack über
den Fluß in die Nebeldünste hinein, Enten verschwanden irgendwo im

Schilf und erschraken wohl, wenn mein Freund hinter mir beim
Iägerskat einen dicken Trumpf aus die Platte knallte. Das Boot lief
mit dem Strom gut. Kurz nachdem ich das Steuer scharf gedreht
hatte, um in die Hamme, den Nebenfluß vom Moor, einzubiegen,
und der Motor nun schwerer gegen die Strömung arbeitete, tauchten
vorn braune, viereckige Segel aus. Eine ganze Reihe. Es schienen
Kähne über Land zu segeln, man sah inmitten der nassen Wiesen,
über das Gras hinweg nur den stillen Zug kommender Segel, nichts
verriet einen Flußlauf da. Erst «bei der nächsten Biegung ward man
gewahr, daß es doch nichts mit dem Wunder sei, die Kähne lagen
genau so aus dem Wasser wie wir, und der Übeltäter war nur der
tausendfach gewundene Fluß mit dem braunen Wasser. Es waren die
Kähne der Torfbauern, die uns da begegneten. Sie brachten ihre
Ladung flußabwärts zur Weser. Schwarz sind die Kähne, schwarz
fast die Segel, schwarz die Leute vom Moor. Die reden auch nicht,
ünerschütterlich, einprägsam leiten sie den langen Kahn. Wie ein
phantastischer Totenzug mit dem bißchen Geleier des einen Ruders
war diese Ruhe vorbei. Ohne Wort. —

Darauf kamen wir ans Moor. In dem einzigen HauS weit und
breit wurde zuerst gegessen, Grog zur Erwärmung genommen, ein
wenig im Sitzen geschlafen, und dann am späten Mittag ging jeder
zu seiner Flinte. Wir waren zu fünf gekommen und verteilten uns in
zwei dunkle, stäche Kähne. Da nur mein Freund und ich Kenner der
Gegend waren, übernahm jeder ein Boot, zu meinem Freund schlagen
sich seine Skatbrüder. Es war ein sehr stiller Mensch, den ich ins
Moor stakte. Wir suchten die Gräben ab, die Kuhlen, fuhren um
Schilfbüschel, vorbei an Krüppelbirklein, in ein Gewirr von Gräben.
Die Lust machte die Loden naß. Die Farben des Moors waren tief,
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Alfred Kubin: Eberjagd
Karl Heinrich Bischoff: Der Gänsejäger
 
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