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Jugend: Münchner illustrierte Wochenschrift für Kunst und Leben — 35.1930, (Nr. 1-52)

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J u

3 5. JAHRGANG

END

1 9 3 0 / NR. 4

BAUERNHOCHZEIT

Bauern haben wenig Worte. Ihre Sprache
ist das Leben. Sie wird durch Gebärden
angedeutet oder unmittelbar gehandelt, Die
Worte sind des Alltags für Menschen und
Weh die gleichen, aber manches Wort
kann oft die Rede eines Gebildeten ersehen
und drückt mehr auS, als die Worte der um
die Seele Wissenden. Wenn ein Bauer mit
seiner Hand, die nicht nur von Blut durch-
zogen ist, wie die zarten der geistigen Men-
schen, sondern in ihrer Härte, Gespanntheit,
Große und Stärke wie mit Erde gefüllt zu
sein scheint, und mit den unbeweglichen
Fingern, die sich kaum dem Rund eines
Kinderköpfchens anzupassen vermögen, zärt-
lich und langsam über das Haar hinstreicht,
fühlt man da Liebe nicht mehr, als wenn sie
als Wort von der Junge springt? —

Die Schlitten knarrten und knisterten durch
die völlig vereiste Landstraße, und die Glocken
der Pferdegeschirre, die den schweren Gäulen
an der erstarrten Haut lagen, läuteten dünn
und blechern. Die Kufen waren rot gestrichen,

VON

KÄTHE BRAUN - PRAGER

und die Leitern, der Breite nach, seitlingö
ausgestellt, trugen alle Farben in ihren
Sprossen. Ernst saßen Braut und Bräutigam
aus dem über Bierfässern gelegten Brett.
Sein dunkler, kurzkrempiger Hut war an
der Seite mit einer bunten Kokarde geschmückt,
Augenbrauen und Schnurrbart glänzten weiß
vereist. Die Braut saß da im rotgoldenen
Mieder, Schnüre von kleinen Silberkugeln,
die eine silberne Schnalle zusammenhielt,
waren in vielfachen Reihen um den Hals
gelegt. Dom kleinen Hütchen stand im Wehen
hart der gefrorene Brautschleier ab. In den
andern bunten Schlitten, voran, saßen die
Verwandten und die Musik, die still war,
weil der Atem im Horn gefror, oder die Hände
die Tasten der Harmonika nicht mehr fanden
in der Erstarrung. N.ur die Schlittenglocken
läuteten immerzu fort.

blnd nun sollten die beiden Mann und
Frau sein, einen gemeinsamen Hausstand

haben, Knechte und Mägde und erlaubte
Kinder. Der reiche Bauernsohn hatte von
der armen Stalldirn nicht gelassen, obwohl
sie ihm nie auch nur das geringste Entgegen-
kommen gezeigt hatte. Sie sprachen nur
wenig: kleine, abgerissene Sähe, ab und zu,
die von Winken und Kopsschütteln begleitet
waren. Wenn sie ein Eck der großen, breiten
Schürze aufnahm und umbog, drückte das
ihren Kampf und ihre Schüchternheit aus.

Er warb um sie wie ein Prinz, nnd sie war
in ihrer unausgesprochenen, ablehnenden Art
eine Prinzessin, und so wagte er eS nicht, sie
zu zwingen. Dadurch erhöhte sie sich in seinen
Augen. So wurde der Drang, sie zu besitzen,
immer stärker in ihm, und einmal, als er sie
mit ihren breiten Hüsten über das Feld ge-
beugt fand, darin -sie Pflanzen setzte, wurde
er von ihrer Kraft bezaubert. Da bot er ihr
den Hof an und war selbst nachher davon
erschreckt. Sie hatte nicht nein gesagt, aber
nichts an ihr verriet Freude, als sie endgültig
einschlug. Eö konnte ja gehen, aber ihr Herz
Register
Jo Franzisz: Klare Winternacht
Käthe Braun-Prager: Bauernhochzeit
 
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