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Jugend: Münchner illustrierte Wochenschrift für Kunst und Leben — 35.1930, (Nr. 1-52)

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https://doi.org/10.11588/diglit.6762#0085
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hatte eine kleine Wirtschaft, Acker, Garten,
Ziegenstall. Der Stall war versperrt, aber
Wrebtzky kannte den Küchenplatz, Mo die
Schlüssel sich au sh reiten. Leise schlich er
durchs schlafende HauS, leise in das Ziegen-
häuSchen. Das Auto wartete am Garten-
auSgang. Der Chauffeur verstand nicht, als
der Herr im Frackmantel ihn bat, den sich
sträubenden Ziegenbock ins Kupee zu schaffen.
Sie fuhren. Wrebtzky streichelte den Ziegen-
bock, der mm sein Leben bangte: „Ruhig,
Dexter, brav sein." —

Elg im Ballhaus beschloß, noch einige Ver-
suche zu machen. Er heftete sich an eine schöne
Schlanke, verfolgte sie durch alle Säle, sie
schien jemand zu suchen.

„Darf ich Gnädigste —."

„Warum gerade mich?"

„Weil Sie. . . schön sind."

„Dtp, tvas haben Sie davon?"

3a, lvaS hatte er davon? Aber wollte er
denn etwas „haben"? blnd doch folgte er den
Frauen und trieb feine Blicke nach allen und
ließ von der Verfolgung einer Schönen, wenn
eine Schönere sichtbar war. Immer wilder

wurde seine Jagd nach den unerreichbaren
Gegenständen seiner grenzenlosen Sehnsucht.
Seine Wangen, seine Fersen brannten, seine
Knie zitterten. Er suchte eine und begehrte
doch alle Frauen, nicht aus Begierde, nur aus

edouie

VON HERBERT STRUTZ

Sie sind sich sehr bewußt in ihrem Schreiten
und wiegen sich mondän. Die Mode spielt
auf ihnen wie auf straffen Geigensaiten.

Der Leib ist Götze, und das Weib befiehlt.

Brokatne Schenkel buhlen nach Beglückung,
kalkweiße Schultern blühen warm ins Licht.
Die Blicke starren gläsern vor Verzückung.
Man sieht nur Masken, aber kein Gesicht.

Man treibt mit ihnen bunt durch das Gewühle
der falschen Pracht, bis fahl der Dag beginnt.
Sie aber lachen, und man hat Gefühle,
die anders als verfchwärmt platonisch find.

einer großen, überströmenden Zärtlichkeit. Er
war furchtbar verliebt in die Liebe, sein über-
durstig lechzendes Gefühl fetzte den ganzen
Körper unter Fieber. Seiner nicht mehr-
mächtig, zum Angriff entschlossen, hielt er auf
einer Treppe eine Dame an: „Halt, oder ich
schieße!" Er zog den Revolver.

„Mit Jhreni Patentfächer erschrecken Sie
inich nicht", lachte sie angstloS und ließ ihn
stehen.

„Ach, man glaubt mir auch nicht den
Revolver? Man glaubt mir auch nicht den
Tod?" murmelte er zornig. „Jetzt mach ich
aber Schluß, endgültig!" Er stürmte auf eine
Tribüne, blickte noch einmal in den Saal, das
Fest erstrahlte auf seinem Gipfel. „Hallo,
schöne Welt! Ihr alle, Frauen und Fräcke,
werdet bald vor mir defilieren!" Er hob die
Waffe gegen sich, und noch einmal erblickte er
unten die überaus schlanke, zarte, vornehme,
tizianblonde Frau, die den nackten Arm-

In diesem Augenblick geschah etwas Un-
gewöhnliches. Ein untersetzter Herr in Krack
betrat den Saal und zog einen Ziegenbock mit
sich. Die DVufik spielte noch einige Takte,
Register
Franz Eichhorst: Kostümfest früh um vier
Herbert Strutz: Redoute
 
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