Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Jugend: Münchner illustrierte Wochenschrift für Kunst und Leben — 35.1930, (Nr. 1-52)

DOI Heft:
Nr. 9 (Das gute Leben)
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.6762#0131
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
„Tja, Kinder," sagte Peddersen fast ver-
legen lind strahlte dabei dveh vor Glückseligkeit
überS ganze Gesicht, „das ist also nun meine
neue Wohnung!"

Wir alle — an dreißig Mann hoch —
standen erstarrt in ehrfürchtigem Schweigen.
Nur der taubstumme Zeitungsverkäufer, der
jedoch Peddersenö Einweihungsfest nicht beruf-
lich sondern als geladener Gast mitmachte,
stieß gurgelnde Laute hervor, die wahrschein-
lich 'Anerkennung ausdrücken sollten, blnd in
der Tat: daS war schon keine Wohnung mehr
— daS war geradezu ein Heim — ein Eigen
heim — ja, ein LuruSheim! Dies
ungeheure Atelier, das als zwei-
stöckiger Bau einen riesigen
Neubau in Wilmersdorf krönte,
hatte Peddersen in wochenlanger
Arbeit zu einem Paradies der
Junggesellen gestaltet. Da waren
Ruhebetten mit aufreizenden
Seidenkissen überstreut — Klub-
sessel, in denen man «wie in
lveichem Käse versank, und den
Boden bedeckte ein Teppich, der
eigentlich alle Sitzgelegenheiten
überstüssig machte! Aber all das
wäre nichts gewesen, wenn sich
nicht in halber Höhe des Raums
eine breite Galerie hingezogen
hätte, zu der — wie in der Halle
eines englischen AdelssitzeS — auf
beiden Seiten eine kühn ge-
schwungene Treppe heraufführte!
bind dort oben standen mächtige
Glasschränke —: der eine voll

i

reucle am eigenen

(Pon CKarl Oiinndt

voll kristallener Trinkgeschirre in allen Formen
lind Größen, und ein dritter mit Büchern, der
alle Luxusausgaben der Welt enthielt oder
doch zum mindesten sehr viele. Dorn an dein
reichgeschnitzten Geländer aber stand ein un-
ermeßlich großer Eichentisch, umsäumt von
hochlehnigen Barocksesseln —: dort konnte
man zechend sitzen und hinunterschauen auf all

kö st l ich en P o rz ella n S,

der rweite

eiwi

die märchenhafte Pracht! Wie gesagt: das
lvar keine Wohnung, sondern ein Holz und
Textilwaren gewordener Traum — eine reali-
sierte phantastische Symphonie von Seide,
Leder, Sprungfedern und allen technischen Er-
rungenschaften europäischer Wohnungskunst.
Kein Wort mehr darüber —: es läßt sich nicht
beschreiben.

Wir schwiegen noch immer ergriffen — auch
der taubstumme Zeitungsverkäufer gurgelte
nicht mehr — bis Frau Matschke, der zweite
sonderbare Gast in diesem illustren Kreise von
Künstlern aller Art — sie war Abortfrau in
e i n er H e r r e n - B e d ü r fn i Sa n sta ltder
Friedrich stadt, und der gtite Ped-
dersen hatte es ihr nie vergessen,
daß sie ihn vor Jahren einmal,
als er gar kein Geld hatte, um-
sonst ausgenommen hatte — bis
also Frau Elise Matschte, die
übrigens recht würdig in einem
schwarzseidenen und sogar gc-
lvagt-auSgeschnittenen Kleide er-
schienen lvar, daS richtige und
erlösende Wort fand:

„Knorke!"

blnd doch regte sich kein häß-
liches Neidgefühl in einem von
uns, denn lvir wußten, daß Ped-
dersen schwer lind hart gelitten
hatte, uni dies Glück zu erreichen.
Nahezu sechs Jahre lang hatte
er seiner Tante Röschen all-
'-»bendlich den „Lokal-Anzeiger"
müssen — und
' ,ang bis zum Inst
l , H c ier utliche TodeSanzen
Register
Friedrich (Fritz) Heubner: Das Ateliefest
Willi Heier: Affe mit Affen
Karl Kinndt: Die Freude am eigenen Heim
Julius Kreis: Die Fresser
 
Annotationen