Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Jugend: Münchner illustrierte Wochenschrift für Kunst und Leben — 35.1930, (Nr. 1-52)

DOI Heft:
Nr. 9 (Das gute Leben)
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.6762#0132
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext


begriffen — während die alte, nierenleidende
Dame .dazu einen Gri'esflammeri mit Himbeer-
tunke verzehrte, bind dann waren es doch nur
fünfzehntausend Mark gewesen, die sie Ped-
dcrsen hinterließ. Ein hart erkämpftes Glück!
klnd all dies Geld hatte Peddersen nun bis auf
einen kleinen Rest in diese Wohnung gesteckt,
die er außerdem auf fünf Jahre vorausbezahlt
hatte. Aber was er da geschaffen hatte, war
auch tiefster Bewunderung wert.

„Tja," sagte Peddersen, „und nun lvolleu
wir mal eins trinken!" Aber wir wollten zu-
erst noch die Nebenräume: das Schlaf- und
Badezimmer sehen — aber dieser an sich
gleichfalls überwältigende Eindruck wurde ein
wenig dadurch getrübt, daß wir in letzterem
den kleinen Dr. .Gackert fanden, der die in der
Wanne kaltgestellte Bowle schon so ausgiebig
probiert hatte, daß er jetzt vor Schreck in den
schönen hohen Ankleidespiegel stek, der sich als
nicht stabil genug für diese Last erwies.

Dann begann das Fest. In launischen Reden
wurde Peddersen, sein erlesener Geschmack, seine
Gastfreundschaft und die verstorbene Dante
gefeiert. Peddersen saß da — breitschmunzelnd
und zerfließend vor Glück —, ein ungehemmter
Genießer ohnePolykrateSangst. ^ und wieder
ng er auf, ur ichzeitig als

•r eingerichte ue Genuß-

beizuschleifen

Gegen elf blhr mußte Frau Ncatschke weg-
geschastt werden, »veil sie sich stark übernommen
hatte, und mit ihr eine zartgelbe Perserbrücke,
lveil )ie der Reinigung bedurfte. Der taub-
stumme ZeitungSverkäufer erbot sich, sie zu
begleiten. Auf der Treppe entflel diesem sonst
so leisen Mann mit ungeheurem Gepolter ein
irrtümlich mitgenommener Silberkasten — und
Peddersen hatte alle Mühe, ihm dies selbst-
gewählte Gastgeschenk sicher in den Taschen
zu verstauen. Einige der wehklagend erwachten
Hausbewohner brachte er kurzerhand mit her-
auf.

Inzwischen war die Fröhlichkeit oben weiter
gewachsen. Der kleine Dr. Kackert war schon
so blau, daß man ihn wie ein Brett über zwei
Stuhllehnen legen konnte — aber dann ver-
drehte er die Augen so merkwürdig, daß wir eS
doch vorzogen, ihn zur Rettungswache bringen
ztl lasten. Ach, wie freute sich der gute Ped-
dersen, daß seine Gäste vergnügt waren!

Der Maler Icknsöld parodierte auf dem Ge-
länder der Galerie, heftig applaudiert, eineu
Seiltänzer und wollte nun auch noch gleich-
zeitig mit Tellern jonglieren, die ja in großer
Anzahl im Glasschrank standen. Aber er über-
schätzte doch seine Geschicklichkeit, und er konnte
sich nur dadurch vor gefährlichem Absturz be-
wahren, daß er daS herrliche Nymphenburger
Porzellan preisgab und sich selbst auf den
Tisch fallen ließ. Glücklicherweise verletzte er

jich nur unbedeutend in den Scherben der
Gläser. Peddersen lachte herzlich, blnd um
dem Vorfall jede Peinlichkeit zu nehmen,
ergrist er die prachtvolle Kristallbowle und
sandte sie in sieghaftem Schwung den Tellern
nach. Das gestel allgemein. Der Maler bln-
söld erinnerte lallend an die herrliche Szene in
VischerS „Auch Einer", wo das Strafgericht
am tückischen Objekt vollzogen wird, und warf
demonstrierend und in köstlichem klebermut die
Suppenterrine herunter. Da ergrist es uns
alle in wildem Weh, und jeder schmiß, waS er

K a r 1 Holt/,

Der Mensch ißt sich gut!
Register
Gregor Rabinovitch: Im Wein liegt Wahheit
Karl Holtz: Der Mensch ißt sich gut!
 
Annotationen