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Jugend: Münchner illustrierte Wochenschrift für Kunst und Leben — 35.1930, (Nr. 1-52)

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Nr. 24
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https://doi.org/10.11588/diglit.6762#0373
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er

Der junge Mann, namens Darlin, verliebte
sich in Alice Gray, die er auf dem Tennisplatz
kennengelernt hatte. Das junge Mädchen war
aber auch wirklich entzückend, und das weiße
Kleid stand ihr sehr vorteilhaft. Sie hatte
unbewußt angenehme Bewegungen beim Ball-
schlagen, und wenn sie sprach, klang ihre
Stimme wie die Stimme einer Sirene mit leicht
englischem Akzent. Varlin debütierte in seiner
Karriere ohne andere Hoffnung, als zwei- oder
dreimal wöchentlich ihr Partner sein zu dürfen.
Er stammte aus einer bürgerlichen Familie, und
seine Phantasie überstieg nicht die normalen
Grenzen. Die beiden Familien kannten sich nicht,
und diese Tatsache war nicht gerade dazu an-

VON PIERRE MAC ORLAN

getan, die Dinge zu fördern und den unschuldigen
Flirt wenigstens für einen Teil zu einem logischen
und befriedigenden Ende zu führen.

Aber infolge des öfteren Zusammenseins mit
diesem schönen, strahlenden Kind kam auch die
Liebe mit ins Spiel und machte einen achtzehn-
jährigen Burschen zu einem Wunder der
Empfindsamkeit, beschenkte ihn noch obendrein
mit einem bis zur Tollheit leidenschaftlichen
Innenleben.

Der Anfang dieser Geschichte ist also klassisch
bis zu dem Tage, an dem der junge Mann seine
Schüchternheit besiegte, und die beiden Gegner
am AuSgang der Garderobe bei einbrechender
Nacht zu Vertraulichkeiten übergingen, und er

sie dann höflich aus ihrem Nachhauseweg be-
gleitete.

Da der junge Mann es verstand, seine Vor-
züge mit Eleganz zu tragen, war Alice Gray
glücklich, im matten Schein der ersten Lichter
neben ihm gehen zu dürfen. Sie sprach über-
schwenglich von ihrer Familie und von ihren
Interessen, denn sie hatte als ganz junges
Mädchen in Ostasien und irgendwo in Afrika
gelebt, was weiter ohne Bedeutung ist.

Varlin hörte ihr andächtig zu und suchte
vergebens nach einem schwachen Punkt, um das
junge Mädchen, das auf allen Schiffen sämt-
licher Gesellschaften zu Hause war, mit einem
Schlag zu beherrschen und zu überraschen.
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Kurt Weinhold: Frau Speedy Schlichter
Pierre Mac Orlan: Das Abenteuer
 
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