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Jugend: Münchner illustrierte Wochenschrift für Kunst und Leben — 35.1930, (Nr. 1-52)

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Nr. 30
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https://doi.org/10.11588/diglit.6762#0467
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J U G

3 5. JAHRGANG

END

1930 / NR.30

Ihre beiden Boote begegnen sich gerade an
der Stelle, an der Antje gewohnt ist, nach ein-
stündiger Geradeausfahrt nach links zu wenden,
um Kurs auf die eine der beiden äußersten
Landspitzen zu nehmen, die daö Binzer Ufer in
weitem Umfassen hinausstreckt in die Ostsee.
Der Tag ist silbern, daö Meer bleifarben, mit
weißen Schaumvögeln auf den Wellenkämmen.
Alle Farben sind gehoben, herausgestellt von
diesen starken Tönen: bleigrau, silber, weiß.
Das Gesicht, das sich jetzt Antje zuwendet, steht
bronzen Ln der Helle: ein schmaler, guter
Schnitt, eine hohe Stirn, der Mund schmal-
lippig, glattes, dunkles Haar, helle Brauen,
darunter graublaue Augen.

Diese kühlen, sachlichen, rvägenden Augen
schauen einen Moment zu lang Antje an in dem
Boot. Dann erst neigt sich der Kopf zu einem
kleinen, grüßenden Nicken: „Da also findet man

er& in

VON MAR

Sie wieder?" sagt Peter Nil, und sein lachen-
des Gesicht ist überschüttet von einer Menge
feiner Fältchen. Auch Antje lacht. Sie hat das
Boot beigedreht, um den kultivierten Seeräuber
im Blickfeld zu haben. Er gefällt ihr. Er paßt
gut in die Landschaft. „Sie haben gerade noch
gefehlt", sagt sie mit ruhiger, dunkler Stimme.
„Wieso, bitte?" „Ich meine, in dem Silber um
uns und in dem Bleigrau unter uns. Ich wette,
Sie wissen das selbst." „Schließlich", sagt
Peter Nil, „ist es dankenswerte Selbsterkennt-
nis, wenn an diesem sogenannten Schlechtwetter-
tag Berlin W sich nicht aus den Halls getraut.
Mit Blau nehmen sie eS eher auf, aber in dieses
Geflirre von zwischentönigen '' en ge-
hören sie wirklich nicht." denkt

Antje, er hat schöne, bunte F mmt

die Ruder aus und fährt vorl

Die beiden Boote fahren kr che 'llfer

[ A D A U T

auf. Der seine Sand, der nirgends so schön ist
wie hier, leuchtet weiß. Das Meer hat große
Büschel Tang herauSgeworsen und in langen
Zügen ausgeschichtet. Peter Nil stochert mit
irgend etwas darin herum, bückt sich und hält
Antje ein ziemlich großes Stück Hellen Bern-
steins entgegen. „Kunststück", sagt Antje, „ich
habe so viel davon, daß ich damit handeln
könnte." Eine tiefe Längsfalte ist auf seiner
Stirn. Er legt den Stein behutsam in ein
kleines, schwarzseidenes Etui. Er stochert weiter
in dem olivenen Tang, eingehend und mit sach-
licher Hingabe. Antje steht mit hängenden
Armen da und schaut aus das Meer hinaus.
Sie hat ein Tor verloren. Sie ist sich voll-
kommen darüber klar, als sie jetzt mit einer
veränderten, kleinen, zärtlichen Stimme sagt:
„Habe ich Sie gekränkt? Es tut mir leid."
Peter Nil kommt aus seiner hockenden Stellung
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Lotte Schönberg: Oberammergau
Maria Daut: Herz in Seenot
 
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