Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Jugend: Münchner illustrierte Wochenschrift für Kunst und Leben — 35.1930, (Nr. 1-52)

DOI issue:
Nr. 48
DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.6762#0755
Overview
loading ...
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
Wir saßen, wie manchen Abend in dieser Zeit,
bei Helene, und ganz von selbst kam eS, daß wir
reihum Erlebnisse vortrugen, was sonst eigent-
lich nicht unsere Art war.

Man hatte Sylvester gerade scherzend vor-
geworsen, daß er sich nicht für Frauen zu inter-
essieren scheine, da seit dem letzten ^zahr kein
Anslug irgendwelcher Derliebheit bei ihm fest-
zustellen gewesen wäre.

Sylvester ließ die andern in seiner höflichen
Manier auöreden und schüttelte dann den Kops.
„Weit gefehlt", sagte er, „ich interessiere mich
oft und stark für Frauen. Nur freilich habe ich
ein Erlebnis gehabt, das mich für lange Zeit

ausgefüllt und vielleicht noch immer nicht völlig
aus seinem Dann entlassen hat.

Es ist kaum zwei Jahre her, als ich mich,
zunächst durch ein Bild, daS eine illustrierte Zeit-
schrift brachte, in eine bekannte junge Schau-
spielerin verliebte. Ich besuchte das Theater, in
dem sie auftrat. Ich wartete am DühnenauS-
gang auf sie, um sie in ihrem Straßenkleid zu
sehen, und bald stellte ich fest, daß Edith in einer
fast bürgerlichen Art mit einem Baron Greifen-
berg verbunden war.

Ich wußte von diesen Umständen, und eS
war mir also vollkommen deutlich, daß meine
Liebe hoffungSloS war. Damals lebte ich als

Privatsekretär eines Grafen Forchheim. Es war
eine der angenehmsten Stellungen, die man sich
denken kann. Der Graf war nur wenige Ähre
älter als ich, und wir standen völlig kamerad-
schaftlich miteinander. Er bewohnte eine Fünf-
zimmerwohnung in einer nicht besonders vor-
nehmen Gegend', und sein Beruf bestand darin,
einen großen Familienprozeß um ein Millionen-
erbe durchzufechten. Daher brauchte er auch
einen juristisch oder kaufmännisch gebildeten
Sekretär.

Graf Forchheim hatte also nicht allzu viel
Geld, aber immerhin genug, um sein Leben zu
genießen. Manchmal war keine Mark im

egegnung iwi
Index
Walther Harich: Begegnung im Bett
Gregor Rabinovitch: Roulette
 
Annotationen