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Jugend: Münchner illustrierte Wochenschrift für Kunst und Leben — 35.1930, (Nr. 1-52)

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Nr. 49 (Rauchen und rauchen lassen)
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https://doi.org/10.11588/diglit.6762#0772
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der Tabakbekämpfung, und so nahm ich seine
Einladung für den nächsten Tag an. Ahnungs-
los ging ich hin. Er wohnte in keinem schönen
Bezirk, MaiSedergasse 18/3; — es ist ein
HauS, wie es Meister Kubin während eines
Anfalls von Verfolgungswahn aufs Papier
hätte werfen können. Es sah aus —1 wie kam
ich nur gleich auf den mich folternden Ge-
danken —? — wie der Kopf einer auSrangier-
ten Schmirgeltonpfeife mit Nisten und verkleb-
ten Scharten; und innen roch es ähnlich und
war ähnlich verräuchert. Es war merkwürdig
still für ein DorstadthauS. — Diese -Omina
hätten mich warnen müssen.

Doll heiligen Eifers für meine Sache klomm
ich hinan bis zum 3. Stock. Noch auf ein Echo
der scheppernden Glocke harrend, vernahm ich
ein langgezogenes, klebriges Röcheln, das durch
einen kurzen Zuruf unterdrückt wurde. Türen
schlossen sich drinnen. Der Konzipist erschien

(auf seinem lederbraunen, gleichmäßigen, alterS-
losen Gesicht nistete ein Lächeln, wenn man
diesen Ausdruck lauernder Spannung schon
„Lächeln" nennen konnte) und bat mich in eine
Art „guter Stube" hinein. Das erste, was mir
auffiel, war eine denkbar komplette Sammlung
aller möglichen Rauchutensilien, auch ausländi-
scher — von der ^6er Studentenpfeife, auf die
inan sich mit dem Gaumen stützt, bis zur
Hookah und Maiskolbenpfeife. Bilder, auf den
Tabakbau bezüglich, schmückten die Wände.
Dor den vergilbten Fenstern wuchsen, in
Töpfen, Tabakstauden. Bis zur Decke ragend
standen, dekorativ als Jnnenzier gedacht, Ge-
bäude und Türme von Zigarrenschachteln.
Grellbunte Zigarettenplakate mit schmauchenden
Odalisken und Sphinxen erschreckten mich. In
Gedanken gürtete ich meine Lenden. Welch' ein
herrliches Feld der Betätigung!

Fortsetzung Seite 773>

steinspitze, zur Hälfte aus Meerschaum. Dorn
auf diesem Zigarrenhalter saß ein geschnitztes
Tier, fein ausgearbeitet, satanisch häßlich und
ganz und gar undefinierbar. Mein Freund
starrte darauf, wurde blaß, stieß einen gurgeln-
den Schrei aus und sank ohnmächtig vom
Stuhl. Der Ausdruck des Mannes, zunächst
verblüfft, wandelte sich zusehends zu stillem,
heimtückischem Grinsen. DieS zu bemerken hatte
ich Muße trotz meiner Sorge um ArminiuS. —
Als er sich erholte, war der Schleier vor seinem
Erlebnis gefallen und er gab mir zunächst
stockend, dann flüssiger seinen Bericht.-

„Du weißt —", sagte er (ich mache seine
stockende Aussage etwas flüssiger und bringe sie
in gleichsam dramatischer Form, denn was ihn
betraf, so war er kein Literat, sondern ein
Turnlehrer) — „— ich war hierhergekommen,
um in der mächtig angewachsenen Anti-Nikotin-
Bewegung zu wirken, und besonders die Jugend
jubelte mir zu. Außerdem verband ich meinen
Kampf mit einer Antifremdwort-Campagne.
Denn Fremdwörter sind in Österreich ebenso
schwer auSzurotten wie Virginia-Zigarren. Ich
trank gerade meinen Hag-Kaffee (gegen ein
Trinkgeld, abgestuft an vier Leute verteilt, zu-
bereitet) -— da kam ich ins Gespräch mit einem
Herrn. Sein Alter war schwer definierbar und
ich hielt ihn auf den ersten Blick für einen
Malaien, seiner Gesichtsfarbe wegen, die an
altes Elfenbein gemahnte. Er war sehr korrekt
angezogen, und so zielte denn meine nächste
Vermutung auf einen Beamten. Besonders
auffällig an ihm waren die quittengelben
Fingernägel und schwarzen, stummelhaften
Zähne — Dinge, die auf den eingefleischten
Raucher hindeuteten. Er bat mit vollendeter
Höflichkeit, ihm zu gestatten, sich mit mir aus-
sprechen zu dürfen. Er habe meine Vorträge
mit größtem Interesse verfolgt. Hier seine
Karte: „Alfons Wenzel Wondra^ek, ehem. k. k.
Bezirksgerichtsvizekonzipist i. Ordnung."

Proselyten zu machen, mein lieber Freund,
ist ja ein Balsam auf unserem dornigen Pfad

Rezept

„Wenn die Liebe Spaß machen soll, muß man sie wie das Kettenrauchen betreiben
Einen Mann am anderen anzünden."
Register
Otto Schoff: Zeichnung ohne Titel
Josef Hegenbarth: Rezept
 
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