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3 6. JAHRGANG

19 3 1 / NR. 27

Als Friedrich an diesem Morgen erwachte,
lag alles um ihn herum ruhig und mit sorg-
samer Hand geordnet wie stets. In seinen
Schlas hinein staunte er. Wie nur in aller Welt
war es möglich, daß solche Ruhe und Ordnung
hier herrschte, in seine m Zimmer und nach
dieser Nacht?!

Langsam öffnete Friedrich die Augen. —
Draußen schien die Sonne und besprenkelte
durch die Schlitze der zugezogenen Vorhänge
geheimnisvoll und erregend den bunten Tep-
pich. Ganz oben, wo sie am breitesten klafften,
sah man den blauen Himmel.

Friedrich lag wach, von seltsamer Mattig-
keit erfüllt. Es ist Sonntag, dachte er, es ist

VON HANS E. HIRSCH

neun Uhr, ich habe sehr wohl das Recht dazu,
hier zu liegen und nichts zu tun, denn der Tag
gestern war doch nicht leicht und nicht einfach
gewesen. Freilich, daS war ein Samstag, ein
Sonnabend, erfüllt von sonderbaren und
schweren Gesprächen, von betäubendem Trotz
imd von Mutlosigkeit und von einer gual-
vollen, schmerzenden Bedrängnis. Hier lag er
nun, ohne Zorn, ohne Erregung, in Frieden
niit sich selbst, ja fast heiter. Also, dachte Fried-
rich weiter, wie war das nur, gestern? Es war
spät geworden, sehr spät, er war mit Lisa zu-
sammengewesen und mit jenein anderen, der ihr
so gut gefiel.

Plötzlich mußte er an ihr Haar denken, und

er sah eS, — braun und widerspenstig und
wild, wie sie selbst, aber er sah eS doch auch
ganz zart und fügsam und brav, wie bei einem
Schulmädchen. Er sah es, körperlich fast, in
der Luft vor und über sich, wie er da mit weit
aufgerissenen Augen auf dem Rücken lag. Was
war das doch für ein seltsames Wesen! „Ein
Tier bist du, wirklich, ein kleines wildes Tier,
Lisa!" hatte er gestern zu ihr gesagt, und der
andere, klein, unscheinbar und blond, hatte
einen alten, müden Mund dabei und spöttische
Lichter in den Augen. „Sechs Jahre haben wir
nun zusammen gelebt und uns geliebt, Lisa",
hatte er weiter gesagt, „sechs lange Jahre, und
was ist jetzt?! Ist jetzt alles vorbei, Lisa?" Aber

Pferdekoppel Ludwig Demling

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