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n und Widerspenstig l
rber er sah es doch a
l und brav, wie bei ein
ah es, körperlich säst,
r sich, wie er da mit n
eus dem Rücken lag. P
n seltsames Wesen! „(
, ein kleines wildes l\
•n zu ihr gesagt, und
mbar und blond, ho
'aund dabei und spötdi
„Sechs Jahre haben e.
t und uns geliebt, List
, „sechs lange Jahre, u
alles vorbei, Lisa?' l\
nun spürte er deutlich, etwas war in trüber
Unordnung bei dieser Frage. Eigentlich doch
war eS eine ganz und gar üble Frage! Lisa
auch hatte geweint, sentimental und haltlos
und häßlich. Schlecht! dachte er, traurig!
Er wars die Bettdecke plötzlich zurück, er
stand aus, schlüpfte in Pantoffel und Morgen-
rock. „Schön!" sagte er mit einem Male laut,
„das war häßlich und schlecht! Notwehr! Es
ist aus!"
Friedrich stand am Fenster, er blickte hinaus
auf die dick beschneite Straße, auf der Wagen
wie auf Watte lautlos dahinrollten. Eine elek-
trische Bahn rollte wichtigtuerisch und mit un-
geheuerem Lärm durch die Nebenstraßen. So
habe ich oft gestanden, früher, dachte er, und
preßte die Stirn an die kalte Scheibe. Früher.
War das denn so lange schon her? Er war
überrascht! Gestern noch war ihm dies alles
ja unmöglich erschienen, unfaßbar oder nicht
drohend, in weiter Ferne. Er hatte Luft ge-
lassen, Zügel frei, ohne subalterne Gefühle,
tagelang, so lange sich Lisa und der Andere
schon kannten, — aber Trennung hatte ihm
Tod oder Ende bedeutet.
bind nun diese Leichtigkeit. In der Tat,
Friedrich fühlte beschwingte Leichtigkeit, wie
selten an einem Morgen, er pfiff leise vor sich
hin, die Melodie eines sentimentalen Gassen-
hauers, in stoßenden, ungehörigen Rhythmen.
Eine junge Frau in grauem Pelzmantel und
glänzenden, schwarzen Stulpenstiefeln kam die
Straße herab, — es war wie ein Stich ins
Herz. Es ging schnell vorüber. Friedrich wandte
sich ab. Ich werde mich schön machen heute,
dachte er, und machte sich daran, mit lebhaften
Bewegungen Hemden und Kragen, Taschen-
tücher und Krawatten, Anzüge und Schuhe
überlegend durchzumustern, sorgfältig abzustim-
men und zu prüfen.
Ich denke eigentlich ohne Groll an Lisa,
dachte er, und hielt im Rasieren inne, trotzdem:
die letzten Tage waren häßlich und durchaus
schlecht; er strich mit dem Handrücken langsam
vom Kinn zum Ohr, — Lisa hatte das oft ge-
tan, oft, wenn sie in Gesellschaft gingen (oder
oft, wenn sie beim Küssen erschrak über die
Rauheit der Wangen). Er ging immer weiter.
Lisa. Wo war Lisa? Fast Tag für Tag war
jie so in der Frühe bei ihm vorbeigekommen,
hereingesprungen in sein Zimmer, mit einem
guten Lachen, mit sicheren Worten, nicht selten
auch bedrückt, unfroh und hilflos, wie ein armes
kleines Mädchen, bind wieder fühlte Friedrich
den stechenden, jäh einsetzenden Schmerz.
Wie rätselhaft alles war, wie froh man fein
konnte und wie schwer erschüttert und erfüllt
von Schmerzen zugleich. Mit großen, breiten
Schritten ging Friedrich durch das Zimmer,
vor dem Gestell mit Büchern blieb er stehen.
Ein Band lag guer auf den andern, er nahm
ihn heraus und schlug ihn auf. Es war ein
Band Heine, ein Geschenk von Lisa. Die Wid-
mung versprach vieles. „Aus! Ganz einfach
aus!" sprach er vor sich hin und legte das Buch
mit behutsamen Bewegungen zurück. „DaS
Leben m u ß anders sein. Ich bin allein. Ich
will heiter sein! Ich werde diese Hindernisse
überwinden und alle Widerstände verscheuchen!"
Friedrich erschrak, cS hatte geläutet. Es wird
die Zeitung sein, dachte er beruhigt, warum er-
schrecke ich nur? Er sah auf die Uhr, — eS
war spät geworden, fast 11 Uhr. Diese letzten
zwei Stunden habe ich gut verbracht, fiel ihm
ein, während er seine Nägel polierte. Es sollte
also mm immer so sein wie jetzt, frei, unbe-
schwert, aber auch leer, — ein unbesorgtes
Junggesellenleben. Vielleicht vermisse ich Lisa
gar nicht?! „Was meinst du? !" fragte er in
den Spiegel und strich seine Haare glatt.
Plötzlich klopfte eS, huschend nur und daS
Kommen leicht andeutend, nicht ernsthaft ge-
dacht, als dienernde Erwartung, sondern als
Gruß, gleichsam als ein „Guten Tag, da bin
ich!" So klopfte nur Lisa, — wie sehnsüchtig
hatte er dieses Zeichen erwartet, wenn er ein-
mal krank lag und „Einsamkeit und Verlassen-
heit" spielte. Schon war auch die Hand tastend
auf der Klinke, die Türe ging auf.
Sehr langsam. Friedrich erstarrte. Er stand
mitten im Zimmer, unter dem geblümten Lam-
penschirm, ohne Regung, die Hände auf dem
Rücken, so wie er vorher, wohlgemut pfeifend,
durch daS Zimmer geschlendert war, den Kopf
gespannt und lauschend auf die Seite gelegt.
Im Türrahmen stand Lisa.
„Guten Tag", sagte sie leise. Ihr Gesicht
war wie von unwirklicher Trauer erfüllt, ihre
ganze Erscheinung, obwohl in nichts abweichend
von der alltäglich gewohnten in dem grauen
Pelzmantel, der Kappe und den schwarz glän-
zenden hohen Schaftstiefeln, schien einen tiefen,
ja wirklich tiefsten Schmerz auszustrahlen.
„Du?!" rief Friedrich sie fragend an, als
brauche er ihre Antwort als Bestätigung, daß
sie leibhaftig vor ihm stand. „Du?! Lisa, du?!"
fragte er. Sie antwortete nicht. Ohne die Türe
zu schließen, schritt sie wankend ins Zimmer.
Friedrich stand noch immer erstarrt. Einen
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n und Widerspenstig l
rber er sah es doch a
l und brav, wie bei ein
ah es, körperlich säst,
r sich, wie er da mit n
eus dem Rücken lag. P
n seltsames Wesen! „(
, ein kleines wildes l\
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mbar und blond, ho
'aund dabei und spötdi
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t und uns geliebt, List
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alles vorbei, Lisa?' l\
nun spürte er deutlich, etwas war in trüber
Unordnung bei dieser Frage. Eigentlich doch
war eS eine ganz und gar üble Frage! Lisa
auch hatte geweint, sentimental und haltlos
und häßlich. Schlecht! dachte er, traurig!
Er wars die Bettdecke plötzlich zurück, er
stand aus, schlüpfte in Pantoffel und Morgen-
rock. „Schön!" sagte er mit einem Male laut,
„das war häßlich und schlecht! Notwehr! Es
ist aus!"
Friedrich stand am Fenster, er blickte hinaus
auf die dick beschneite Straße, auf der Wagen
wie auf Watte lautlos dahinrollten. Eine elek-
trische Bahn rollte wichtigtuerisch und mit un-
geheuerem Lärm durch die Nebenstraßen. So
habe ich oft gestanden, früher, dachte er, und
preßte die Stirn an die kalte Scheibe. Früher.
War das denn so lange schon her? Er war
überrascht! Gestern noch war ihm dies alles
ja unmöglich erschienen, unfaßbar oder nicht
drohend, in weiter Ferne. Er hatte Luft ge-
lassen, Zügel frei, ohne subalterne Gefühle,
tagelang, so lange sich Lisa und der Andere
schon kannten, — aber Trennung hatte ihm
Tod oder Ende bedeutet.
bind nun diese Leichtigkeit. In der Tat,
Friedrich fühlte beschwingte Leichtigkeit, wie
selten an einem Morgen, er pfiff leise vor sich
hin, die Melodie eines sentimentalen Gassen-
hauers, in stoßenden, ungehörigen Rhythmen.
Eine junge Frau in grauem Pelzmantel und
glänzenden, schwarzen Stulpenstiefeln kam die
Straße herab, — es war wie ein Stich ins
Herz. Es ging schnell vorüber. Friedrich wandte
sich ab. Ich werde mich schön machen heute,
dachte er, und machte sich daran, mit lebhaften
Bewegungen Hemden und Kragen, Taschen-
tücher und Krawatten, Anzüge und Schuhe
überlegend durchzumustern, sorgfältig abzustim-
men und zu prüfen.
Ich denke eigentlich ohne Groll an Lisa,
dachte er, und hielt im Rasieren inne, trotzdem:
die letzten Tage waren häßlich und durchaus
schlecht; er strich mit dem Handrücken langsam
vom Kinn zum Ohr, — Lisa hatte das oft ge-
tan, oft, wenn sie in Gesellschaft gingen (oder
oft, wenn sie beim Küssen erschrak über die
Rauheit der Wangen). Er ging immer weiter.
Lisa. Wo war Lisa? Fast Tag für Tag war
jie so in der Frühe bei ihm vorbeigekommen,
hereingesprungen in sein Zimmer, mit einem
guten Lachen, mit sicheren Worten, nicht selten
auch bedrückt, unfroh und hilflos, wie ein armes
kleines Mädchen, bind wieder fühlte Friedrich
den stechenden, jäh einsetzenden Schmerz.
Wie rätselhaft alles war, wie froh man fein
konnte und wie schwer erschüttert und erfüllt
von Schmerzen zugleich. Mit großen, breiten
Schritten ging Friedrich durch das Zimmer,
vor dem Gestell mit Büchern blieb er stehen.
Ein Band lag guer auf den andern, er nahm
ihn heraus und schlug ihn auf. Es war ein
Band Heine, ein Geschenk von Lisa. Die Wid-
mung versprach vieles. „Aus! Ganz einfach
aus!" sprach er vor sich hin und legte das Buch
mit behutsamen Bewegungen zurück. „DaS
Leben m u ß anders sein. Ich bin allein. Ich
will heiter sein! Ich werde diese Hindernisse
überwinden und alle Widerstände verscheuchen!"
Friedrich erschrak, cS hatte geläutet. Es wird
die Zeitung sein, dachte er beruhigt, warum er-
schrecke ich nur? Er sah auf die Uhr, — eS
war spät geworden, fast 11 Uhr. Diese letzten
zwei Stunden habe ich gut verbracht, fiel ihm
ein, während er seine Nägel polierte. Es sollte
also mm immer so sein wie jetzt, frei, unbe-
schwert, aber auch leer, — ein unbesorgtes
Junggesellenleben. Vielleicht vermisse ich Lisa
gar nicht?! „Was meinst du? !" fragte er in
den Spiegel und strich seine Haare glatt.
Plötzlich klopfte eS, huschend nur und daS
Kommen leicht andeutend, nicht ernsthaft ge-
dacht, als dienernde Erwartung, sondern als
Gruß, gleichsam als ein „Guten Tag, da bin
ich!" So klopfte nur Lisa, — wie sehnsüchtig
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mal krank lag und „Einsamkeit und Verlassen-
heit" spielte. Schon war auch die Hand tastend
auf der Klinke, die Türe ging auf.
Sehr langsam. Friedrich erstarrte. Er stand
mitten im Zimmer, unter dem geblümten Lam-
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Rücken, so wie er vorher, wohlgemut pfeifend,
durch daS Zimmer geschlendert war, den Kopf
gespannt und lauschend auf die Seite gelegt.
Im Türrahmen stand Lisa.
„Guten Tag", sagte sie leise. Ihr Gesicht
war wie von unwirklicher Trauer erfüllt, ihre
ganze Erscheinung, obwohl in nichts abweichend
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zenden hohen Schaftstiefeln, schien einen tiefen,
ja wirklich tiefsten Schmerz auszustrahlen.
„Du?!" rief Friedrich sie fragend an, als
brauche er ihre Antwort als Bestätigung, daß
sie leibhaftig vor ihm stand. „Du?! Lisa, du?!"
fragte er. Sie antwortete nicht. Ohne die Türe
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Friedrich stand noch immer erstarrt. Einen
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