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Von G. Günther

Früher war Liane Biermädchen in einem
Brauhaus gewesen und hatte Lisel geheißen.
Aber sie gibt vor, diese Zeiten längst vergessen
zu haben und kennt auch die Gefährtinnen
jener Zeit nicht mehr. Nein! Fräulein Liane
weiß nichts von jener Lisel!

Ein Student hatte sich heftig für Liane inter-
essiert. bind da Jugend stets zu „lieben" meint,
da Jugend in einer vorübergehenden Handlung
stets eine Ewigkeit glaubt, so wollte dieser Stu-
dent Lisel sich ebenbürtig machen, Lisel sollte
„gebildet" werden. Der Student der Philo-
sophie ließ sie die erste Stufe ersteigen, indem
er sie fortan „Liane" nannte und sie aus ihrem
Milieu in feine Bude holte. Dann ließ er ihr
Sprachstunden und dramatischen Unterricht
erteilen.

Liane blieb nicht lange bei dem Studenten,
da wohl seine Liebe groß, jedoch sein Wechsel

klein war. Sie übergab sich selbst als Honorar
dem bildenden Lehrer. Dieser brachte ihr Gang
und Ausdrucksweise der großen Dame wie der
großen Kokotte bei, und — vieles andere.

Liane schreitet weiter ihren Weg. Sie studiert
Theaterstücke und Zeitungen. Liane ist reizend.
Liane ist hübsch. Liane ist gebildet. Liane hat
auch Verstand. Sie braucht einen Theater-
direktor, ihr Talent allein ist mittelmäßig. Und
sie findet ihn, trotzdem sie den uralten Trick be-
nützt, sich als durchgebranntes Mädel aus
großem Haufe auszugeben. Da sie es geschickt
macht, denn so viel hat sie bei ihrem Lehrer
gelernt. Daß der Theaterdirektor es glaubt,
daran ist wohl ihr Lächeln, daran sind wohl
ihre Augen und ihre Beine schuld. Liane wird
engagiert. Für diese lind jene Rolle. Für Haus
und Bühne.

Liane ist mitten drin in der Laufbahn. Nie-

J. Geis

Eine neue, ganz große Hilfsaktion der Regierung

II.

Durch eine neue Notverordnung sollen Revue- und Filmstars verpflichtet werden, sich
siebenmal wöchentlich gratis von Amateurphotographen aufnehmen zu lassen. Man
erwartet durch diese Maßnahme eine bedeutende Senkung der Arbeitslosigkeit der
Amateurphotographen. Als Begleitung der Damen soll sich erfreulicherweise die Schupo

umsonst zur Verfügung gestellt haben.

mand weiß mehr von früher. Aber der Weg
ist anstrengend, ermüdend, und sie wird nicht
jünger. Wie lange kann sie es wohl noch
machen?

Damals lernte sie den Amerikaner Scoll
kennen. Vielmehr, sie hörte durch eine Kollegin
von ihm.

Ein komischer Kauz, dieser Amerikaner. Er-
suchte in „Jurop" eine Frau, eine richtig-
gehende Frau zum Heiraten. Und er hat einen
Spleen — er hat Geld genug, sich einen Spleen
leisten zu können. Er wollte eine ungebildete
und nicht verbildete Frau aus dem Volk, ein

Mädel mit Dialekt und Ursprünglichkeit _

und plötzlich hat Liane alles vergessen, was
man so mit „Bildung" bezeichnet, sie nennt sich
wieder Lisel, sie spricht derb in ihrer Mundart.
Und, sie benützt ihre Bildung nur so weit, daß
sie ihre früheren Talente richtig anwendet und
wirklich, dank ihrer schauspielerischen Routine,
Mistreß Scoll wird.

„Bildung" ist schließlich ein Beruf wie ein
anderer.

Meistens braucht' man sie im Leben, dann
wird sie als Kleid oberflächlich umgelegt. Mehr
ist sie nicht als eine Schulaufgabe. Dahinter,
darunter steckt erst der wirkliche Mensch.

tyjlbev das £/~luio

In den „Annales" veröffentlichte Henri
DuvernoiS unter dem Titel „Unterwegs" fol-
gende Notizen, in denen das Auto aus der
Kuhperfpektive gesehen ist:

„Die Autos sind ungeheure Tiere mit großen
Augen, die nachts brennen. Wenn sich zwei
Tiere begegnen, so sausen sie aneinander vorbei,
als ob sie sich nicht kennen oder sie zertrüm-
mern sich gegenseitig. Ein Mittelding gibt eS
nicht.

Man kann sie auf eine Wiese setzen, aber sie
weiden nicht. Übrigens können sie sich nicht
selbst ernähren. Der Mensch gibt ihnen zu
fressen und zu saufen.

Sie laufen gar nicht so schnell, wie es immer
aussieht. Eine Freundin von mir ist von einein
verfolgt worden auf einem ganz schmalen
Wege, während sehr langer Zeit. Das dicke
Biest schnaubte und schrie, eS lief aber trotzdem
langsamer, als meine Freundin, die in aller
Seelenruhe in ihren Stall zurückgekehrt ist.

Die Vögel verachten das, was auf ihrem
Wege zurückbleibt. Lieben sie? Ich habe sie
nie zu zweit gehen sehen. Sie gehen vorüber,
ohne zu ahnen, daß ich sie beobachte. Doch
eines Tages ist es solch einem Biest eingefallen,
aus unsere Wiese zu. kommen. Es hat eine
Barriere zerbrochen, und sich dann zur Ruhe
gesetzt. Die Leute sind herauSgestiegen. Es hat
bei uns die Nacht verbracht. Ich habe ver-
sucht, ein Gespräch mit ihm anzusangen. Nichts.
Ganz früh ist dann seine Mutter gekommen und
hat eS an einem Strick fortgezogen. Es ist
gegangen, wie es gekommen ist. blnd als ich
ihm guten Tag wünschte, da war eS seine
Mutter, die übrigens viel höflicher war, die den
Gruß erwiderte ..." K. M.

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Register
Gretel Günther: Liane ist gebildet
K. M.: Über das Auto
Josef Geis: Eine neue, ganz große Hilfsaktion der Regierung
 
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