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J U G

37. JAHRGANG

END

1932 / NR. 22

VON KARL KURT WOLTER

Die folgende Geschichte ist wahr. Ich habe
sie selbst miterlebt, ^zn Griechenland. Sie könnte
sich aber auch in jedem beliebigen Staat von
hoher Kultur ereignen. Unter anderen äußeren
Tlmständen, aber mit gleichem Kern; und der
macht's.

Das geschah 1924, da ich mich als Betriebs-
leiter einer Baugesellschaft in Athen betätigte.
Es war eine edle Gesellschaft, die den Namen
„Triumph" als Firmentitel führte und dein
Vorsitz eines Aufsichtsrates unterstand,der diesem
Namen alle Ehre machte. Bei sämtlichen Be-
werbungen um ausgeschriebene Regierungsauf-
träge ging die Firma als Sieger hervor; jeder
Auftrag wurde ihr zugeschlagen. Weil der Aus-
sichtSrat zu bestechen verstand wie kein zweiter
auf dem Balkan. Tlnd daS ivill immerhin etivaS
heißen.

Dagegen war die praktische Ausführung der
Bauten weniger erwähnenswert. Meist stellten
wir einige Reihen von einstöckigen,
schmucklosen Kästen hin, die den
FlüchtlingSfamilien aus Kleinasien
die Heimat ersetzen sollten. Dafür
genügten sie, nach Ansicht der
griechischen Behörden. Außerdem
hatten wir eine Spezialität er-
funden, die uns so leicht keine
andere Gesellschaft nachmachen
konnte, wir bauten „erdbeben-
sicher"; nach eigenem Verfahren.

Zwar konnte niemand genauer
erklären, worin sich eigentlich unser
Verfahren von der gewöhnlichen
Bauweise unterschied. Auch hörte
ich später, daß 1926 bei dem
großen Erdbeben in Korinth unsere
Häuser als erste einstürzten. Aber
das ist Nebensache. Die Häuser
waren längst bezahlt...

Nur ein einziges Mal schien
„Fortuna unserer Firma abhold",
das heißt auf griechisch, es schien
als ob der Aufsichtsrat die falschen
Beamten bestochen hatte. Es han-
delte sich um den Ankauf eines
Hügels, der südlich von Athen,
unweit der Akropolis, lag und den
die Stadt zum Abbau als Stein-
bruch veräußerte. Tatsächlich ge-
schah das Tinerwartete, die Kon-
kurrenz bekam den Hügel zu eigen. Alpdrück

Um zu verstehen, welchen Verlust dies für
unsere Firma bedeutete, muß man wissen, daß
zu jener Zeit in Athen großer Mangel an Bau-
material herrschte und daß die meisten Unkosten
im Transport der Steine von entlegenen Brüchen
zur Stadt lagen.

Die Konkurrenz war also imstande, bei
künftigen Bewerbungen erfolgreicher austreten
zu können als wir. Am meisten ärgerte sich aber
unser Aussichtsrat über den beträchtlich höheren
Gewinnsatz, mit dem die Gegensirma jetzt arbeiten
konnte. Irgend etwas mußte also unternommen
werden.

Gegen den Verkauf war nichts mehr einzu-
wenden; die Besitztitel waren bereits von
mehreren Rechtsanwälten bestätigt. Da besann
sich unser Vorstand aus daS äußerste und
sicherste Mittel, mit dem deutsche Professoren
einst daS griechische Volk beglückten, als sie ihm
die Augen über seine große Vergangenheit

Wp

en

öffneten, auf den Denkmalschutz. Der Hügel
müsse unter Denkmalschutz gestellt werden, ver-
langte unsere Eingabe an den Stadtrat. Auch
der Landtag wurde sogleichUnformiert. Es war
eine längere Schrift und sie gipfelte in dem
schönen Gedanken: Wenn man es gestatten
könne, ein Kulturdenkmal wie dieses zu schänden,
dann sei auch bald keine Regierung im Lande
mehr sicher!

Unsere Schritte hatten Erfolg. Der Ab-
bruch des Hügels wurde einstweilen unter-
sagt.

Es war recht unvorsichtig von der Konkur-
renzfirma, die Einsetzung einer Kommission zu
verlangen, um diese mit der Untersuchung über
den geschichtlichen und kulturellen Wert des
Hügels zu beauftragen. Der Kultusminister war
unser Freund. Er selbst wurde Vorsitzender
der Kommission. Unsere gerechte Sache schien
zu siegen.

Aber wie sehr sich die Archäo-
logen auch bemühten, weder einer
Ruine noch einer Grabstätte Spur
war zu finden. Die Kommission
wußte keinen Ausweg; bis wir
die Summe verdoppelten.

Einige Tage später war daS
Gutachten ausgestellt: „Der Hügel
dürfe in seiner jetzigen Gestalt
nicht geändert werden, weil auf
ihm nachweislich Rantippe, die
Gemahlin des Philosophen So-
krates, ihre Wäsche getrocknet
habe. Er sei somit Nationalgut
der griechischen Demokratie."

Dieser Antrag wurde ohne je-
des Lächeln genehmigt. Gegen
Ende August deö Wahres I924*

^aföfreundfcliaft

„Warum lassen Sie sich denn
gar nicht mehr sehn? Kommen
Sie doch mal wieder zu uns!
Aber sicher! Wissen Sie was, wir
verabreden gleich etwas. Haben
Sie — warten Sie mal — haben
Sie morgen was vor? Kommen
Sie morgen zu uns nach dem
Kaffee, ja? Und Sie bleiben dann

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[nicht signierter Beitrag]: Gastfreundschaft
Bruno Gutensohn: Alpdrücken
Karl Kurt Wolter: Die Expertise
 
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