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kommt fcaö Glück!" Und dann
vergaß ich die ganze Sache wieder.

Am 24. November kehrte ich
etwas nach Mitternacht heim und
blätterte, wie es meine Gewohn-
heit ist, den Kalender um. „Ach-
tung! Heilte kommt das Glück!"
stand da. Es war etwa fünfzehn
nach Mitternacht. Fahrplanmäßig
war eS also nicht gekommen, das
Glück. Das kommt scheinbar nie
ganz pünktlich. Pünktlich kommen
nur der Gaskassierer, der Steuer-
exekutor und der Scheck fürs
Telephon. Sonderbar!

2jn dieser Nacht schlief ich
schlecht. Jeden Augenblick schreckte
ich aus einem quälenden Halb-
schlummer auf, weil ich meinte,
das Glück stünde schon an meinem
Bett. Jede Autohupe auf der
Straße trieb mich in Schweiß.

Warum sollte das Glück nicht im
Auto vorgefahren kommen? Wenn
sich das Glück nicht einmal ein
Auto leisten kann ... Jedes Knack-
sen des Telephons versetzte mich in
Zittern. Vielleicht, wahrscheinlich
sogar, kommt das Glück durchs
selbst zu mir bemühen!

Am nächsten Morgen war das Glück noch nicht dagewesen! Ich
überlegte, wie lächerlich es von mir war, es auch in der Nacht zu
erwarten! Das Glück wird sich seine Nachtruhe von mir stören lassen!
Ausgerechnet! Als ob ich es am Morgen nicht auch noch empfangen
würde!

Ich kleidete mich an diesem Tage etwas festlicher. Dunklen Sakko,
gestreifte Hose, Lackschuhe! Wenn das Glück schon zu mir kommt, dann
soll es mich wenigstens gerüstet finden.

Bis neun Uhr war es noch nicht da. Wahrscheinlich schläft es lang.
.Oder betrachtet es als zum guten Ton gehörig, nicht zu früh in den
Wohnungen zu erscheinen.

Daö Mädchen brachte die Post. Ha! Das wird es sein, daS Glück!

Prost Neujahr!

Telephon. Es wird sich doch nicht

X!

Heinrich Kley

Es liebt es, in Verkleidungen zu erscheinen, wie Harun al Raschid.
Als Brief oder als Depesche. Die Post brachte einige Rücksendungen
von Manuskripten, eine Mahnung binnen widrigenfalls und die Mit-
teilung des Herrn Pflanzer, daß er um die Ecke, Dogelweidplatz einen
erstklassigen Frisier- und Rasiersalon eröffnet habe...

In den Rücksendungen verbarg sich daS Glück ganz bestimmt nicht.
In dem Binnen-Brief auch nicht. Blieb also nur der Herr Pflanzer mit

(Fortsetzung Seite 5)

Winte v= Vormittag

Von Walther C. F. Lierke

Der Nebel schiebt wie fahler, feuchter Staub
in grauer Trägheit sich durch triste Straßen.

Im Rinnstein liegt ein Häufchen welkes Laub,
das letzte, heute nacht vom Baum geblasen.

Krumm am Gemüsestand macht ihren Kauf
die alte Frau, in dicken Schal gepackt.

Sie bastelt ihre Tasche fröstelnd auf,
und grämlich wird ein Kohlkopf eingesackt.

Die Fahrbahn hin benimmt ein Motorrad
sich viel zu laut für diese lahme Zeit.

Warum es nur so viel zu lärmen hat?

Ist ihm die Straße nicht genügend breit?

Der junge Bursche, der Benzin vertut,
sitzt keß im Sattel wie ein Boxmagnat.

Ein bess’rer Herr, Autorität nebst Wut,
keift nach: „Und sowas duldet dieser Staat!“

Dann hustet er und hört mit bösem Blick
das Motorrad-Geknatter fern sich dämpfen
und spuckt noch in den Nebel zwei, drei Stück
mannhafte Worte, die für Ordnung kämpfen ...

9

Das Blumenorake

Heinrich Kley

Das alles ist wie Schatten-Episode,

dahergeschwemmt im Nebel 10 Uhr früh-

Die Welt ist winterlich und ist marode,
und lange dauert’s bis zur Frühlings-Therapie.

3
Register
Heinrich Kley: Prost Neujahr!
Heinrich Kley: Das Blumenorakel
Walther C. F. Lierke: Winter-Vormittag
 
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