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Jugend: Münchner illustrierte Wochenschrift für Kunst und Leben — 38.1933, (Nr. 1-52)

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J

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38. JAHRGANG

G

E

N

D

1 9 3 3 NR. 24

ur Cy imöajjore gejucm . . .

3m Vorzimmer der Agentur (Stellenver-
mittlung für Hotelangestellte) warteten Vier-
Herren. Man sah, daß sie sich besonders sorg-
fältig angezogen hatten, aber damit doch nicht
die Not verbergen konnten, die auS den ab-
geschabten Stellen der schwarzen Winterröcke
und aus den ansgebürsteten Hüten hervor-
lugte. Der genaue Beobachter bemerkte sogar,
daß die tadellos geputzten Schuhe schon weid-
lich abgetreten waren.

Die Herren gingen nervös auf und ab. Sie
musterten sich mißtrauisch, blnd wenn ihre ge-
heimen Wünsche in Erfüllung gegangen wären,
so hätte eS im Augenblick in diesem friedlichen
Zimmer statt der vier Gentlemen vier Leichen
gegeben.

Die Türe, die in daS Allerheiligste führte,
öffnete sich und eine junge, sehr
hübsche Sekretärin sagte: „Here-
Schwer, darf ich bitten..."

„Wir waren zuerst da!" fielen
die anderen im Chore ein.

„Tut mir leid", flötete es zu-
rück, „der Herr Generaldirektor
wünscht es.. ." bind schon war
die liebliche Dision verschwunden.

„Natürlich — Protektion!"
murrten die drei, bind gingen
weiter geduldig ungeduldig ans
lind ab.

Nach zehn Minuten kam Fritz
Schwer, der scheinbar so unge-
recht Bevorzugte, wieder zum
Dorschein. Zuerst sah inan nur
seinen Hinterteil, denn der Kops
steckte noch immer im Zimmer,
und eS dauerte lange, bis die
turnerisch vorbildlichen Ver-
beugungen ein Ende nahmen.

Don drinnen ries eine fette, leut-
selige Stimme: „Also bis nach-
her, lieber Herr Schwer!"

Fritz schritt wie ein ungekrön-
ter König dem AuSgang zu. —

3m Cafo Palace blickte Fritz
des öfteren nervös nach der
großen Wanduhr aus Nickel, die
ihm mit den schwarzen Riesen-
zeigern gespenstisch drohte. s„Schon
zehn Minuten darüber", dachte
er, „kommt natürlich nicht." Resi-
gniert besah er seine abgewetzten
Ärmel. „Wenn e6 diesmal wie-
der nichts wird, weiß ich mir

Don A. Hain

tatsächlich keinen Rat mehr. Die letzten hun-
dert Schilling..." murmelte er vor sich hin.
„blrsprünglich wollte ich davon die restliche
Miete bezahlen. Es hätte zwar für die zwei
Monate, die ich schuldig bin, nicht gereicht,
aber meine Hausfrau hätte den guten Willen
gesehen. Glücklicherweise habe ich eS nicht ge-
tan, sonst stünde ich jetzt ohne Kreuzer Geld
da. bind es inacht immer einen schlechten Ein-
druck, wenn man gleich daS erstemal um Vor-
schuß ansucht.

„Entschuldigen Sie, bitte, daß ich mich etwas
verspätet habe." Ein eleganter Herr mit grau-
melierten Haaren trat grüßend an den Tisch.

„Aber bitte sehr, Herr Generaldirektor, das
macht ja nichts!", sprudelte Fritz hervor und seine
Ohren glühten wie zwei rosa Glühwürmchen.

Klzy*

Der Tenor

Heinrich Kley

„Haben Sie schon zu Mittag gegessen?"
erkundigte sich der Herr Direktor freundlich.

„Nein. 3a. DaS heißt, ich frühstücke
immer so kräftig, daß ich daS Mittag- und
das Abendessen verbinde. 3^) fühle mich so
am elastischesten." Fritz lacht kurz und höflich.
(Wenn ich sage, daß mir der Magen knurrt,
macht daS keinen guten Eindruck, überlegte er
geistesgegenwärtig.)

„Dann gestatten Sie, daß ich esse, ich habe
einen Mordshunger", erwiderte der Repräsen-
tant der Holländisch-indischen Hotel AG. und
bestellte sich ein wahrhaft opulentes Mahl, an
dessen auserlesener Zusannnenstellung man so-
fort den Fachmann erkannte. (Fritz langte un-
auffällig nach einer Semmel.)

„Na, Prost, mein lieber Direktor!"

Der Mächtige hob gutgelaunt
sein GlaS. „Abgemacht, Sie
kommen in spätestens vier Wo-
chen als erster Direktor mit
mir nach Singapore. Solange
wird eS wohl dauern, bis alle
Formalitäten erledigt sein werden.
Sie kennen doch unser Hotel, zu-
mindest dem Namen nach — wer
aus unserer Branche kennte eS
nicht —!, deshalb müssen Sie sich
zwei Dinge merken, lieber Direk-
tor: 3mmer Herr und immer aus
der Hut zu sein! Es ist 3h"en
klar, daß Sie da unten schon
in 3^'em äußeren Gehaben die
Überlegenheit der gesamten
weißen Rasse dokumentieren
müssen und daß naturgemäß in
einen! so riesigen Betrieb ver-
schiedene dunkle Elemente, die aber
nicht leicht und vor allem nicht
sofort als solche zu erkennen sind,
denn daS kommt nur in schlechten
Kriminalromanen vor, versuchen,
im Trüben zu fischen, ünd für
den entstandenen Schaden ist der
Direktor selbstverständlich verant-
wortlich! Deshalb: Keine Ge-

fühlsduseleien und — Vorsicht!
Menschenkenntnis, das ist es, was
unser Berus erfordert. 3^ ^IC'
derhole: der Kontrakt gilt für
fünf 3ahre. Sie erhalten ein
3ahreSgehalt von zwölftausend
holländischen Gulden, freie Reise
und freie Station . . ."

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Register
Heinrich Kley: Der Tenor
A. Hain: Hoteldirektor für Singapore gesucht...
 
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