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J. M ü 5 o n

meinte dabei, daß doch der Raimund bei ihr
auf Besuch gewesen sei.

„A wo", sagte auch die Rosl und setzte
hinzu: „Seit zwei Jahren ist er verschollen
und man weiß nichts mehr von ihm. Seiner-
Mutter hat er bei einer japanischen Bank eine
Rente eingezahlt, a guate aa no!"

„Aber Roöl, diese Rächt war doch der Rai-
mund bei mir," sprach ich heftig.

Da sah mich daö Mädel wie entgeistert an
und ries dann auS: „Herr Dokta, tean Sie
denn a scho spinna?!"

Run beschrieb ich den Raimund, so, wie er-
be! mir erschienen war. Da holte die Roöl
eine Pappschachtel herbei, die mit Bildern,
Karten und Briefen ungefüllt war.

Ich sah die Bilder durch und sagte dann:

„Hier, Roöl, wie er aus diesem Bilde ist,
so war er bei mir."

„Dös Bild hat Eahna mei Mutta scho
zoagt."

Aber ich betonte, daß ich nie das Bild ge-
sehen habe und vom Schellerer Raimund kaum
etwas gehört hatte.

Da fing die gute Dirn zu weinen an, denn
ste glaubte, ich wollte sie guälen und ärgern.

Und um nicht eine „gspaßige Figur" zu
spielen, habe ich den Leuten nie mehr von
diesem nächtlichen Besuch erzählt.

AVUS IDEM
IBILJ C IUI IE IR M IE IE IRt

Bcrncu'd Shaw: Junger Wein gärt. (S.

Fischer Verlag, Berlin.)

Des bekannten Dramatikers erster Ro-
man, vor 54 Jahren geschrieben und des-
halb damals von allen Verlagen abgelehnt
(wie Shaw im Vorwort angibt). „Imma-
turity“ — „Unreife“ lautet der englische
Titel. Es ist ein Lebensabschnitt des
jungen Shaw, der zwanzigjährig, seiner
irischen Heimat den Rücken kehrt und
nach London kommt. Seine ersten unbe-
holfenen Schritte ins große Leben der Welt-
stadt, sein Tagesdasein als kleiner kauf-
männischer Angestellter, seine schüchterne
Verliebtheit und sein allmähliches Bekannt-
werden mit den Menschen der verschie-
denen Gesellschaftskreise — das alles wird
in vier Büchern (550 Seiten) eingehend ge-
schildert. Er mußte viele Schritte tun, bis
er die Stadt erobert hatte. Manches von
dem tatsächlich Geschehenen wird wohl
der Romanhandlung zuliebe verändert wor-
den sein.

Shaw bevorzugt hier eine pedantisch
ausschweifende Schreibweise, die er jetzt
selbst als „den Gipfel der Korrektheit“ be-
zeichnet, die aber niemals in Einklang mit
dem typischen Stil seiner dramatischen
Arbeiten gebracht werden kann. Nur
stellen weise, in dem leisen Humor des
Buches, finden sich Ansätze des späteren
Satirikers. „Ich hatte geistige Gewohn-
heiten; meinen Anlagen fehlte nur eine
klare Lebensphilosophie. Dieser Fehler
lähmte mich in meinen Jugend tagen und
ist zugleich der Fehler meines recht linki-
schen ersten Romans, und wenn man ihn
überspringt, verliert man nicht viel“ —
so schreibt Shaw (1921) zu Schluß des (wie
üblich) recht umfang- und geistreichen
Vorwortes, um dessentwillen man das
Buch lesen sollte. Karl Kurt Wolter.

Plötzlich sprach er:

„Der Sturm Hat nachgelassen. Es ist Zeit,
daß ich gehe." Aber der Sturm heulte noch
ärger als zuvor.

Raimund Schellerer ging. Ich wünschte
ihm mit kräftigem Händedruck gute Reise,
während Roland ihm, seinen Kopf aus die
mächtigen Pranken gedrückt, einen Abschied zu-
knurrte.

Am anderen Dag erwachte ich gegen Mit-
tag, als mich mein Roland munter anbellte.

Da fiel es mir ein, wieder einmal an der
alten Soog ins stille Dal hinzuwandern. Schon
von der Leite aus erkannte ich durchs Fern-
glas eine Menschenmenge. Als ich hinkam,

waren die Bewohner der Ilmgegend, der Bür-
germeister und ein Arzt da und man erzählte
mir, daß man die alte Schellerin tot im Bette
ausgesunden habe.

„Aber, der Raimund, ihr Sohn, ist doch
erst bei ihr gewesen," sagte ich.

„A wo!" entgegnete man mir und ließ mich
stehen.

So schritt ich denn dem Dorfe zu und be-
gab mich ins Wirtshaus. Rosl, die Wirts-
tochter, hatte lange Zeit Briese mit Raimund
gewechselt und gehofft, er würde einmal kom-
men, um sie zu heiraten.

Ich sagte der Rosl, daß ich eben vom
Hause der Schellerer Mutter komme und

M o d e

„Donnerwetter, das freut mich. Soeben lese ich, daß gestreifte Herrenanzüge die große

Mode sind.“

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Register
Julius Macon: Mode
Karl Kurt Wolter: Aus dem Büchermeer
 
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