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38. JAHRGANG

N D

1 9 3 3 / N R. 41

Holzhackergeschlchten

Don Karl Springe ns chmid

Der Eierschmarrn

In aller Herrgattsfrüh mit der ersten Tag-
lichten geht die Arbeit der Holzknechte an und
mit der letzten Taglichten hört ste auf.

Heut trifft's den Beit als dreier. Daweil
die andern zwei die große Zugsag ziehen oder
die Keile eintreiben, astet er die geschmissenen
Bäum ab und schintet die Rinden weg. Bald
aber die Feichten gar zu groß und zu schwer
iS, dann muß der Dreier helfen und die Keil
eintreiben oder vorn einhacken, daweil die hin-
ten treiben, damit der Baum schön umschmeißt
und nit auf einem andern hängen bleibt. Ein
Holzschlag mit hängenden Bäumen überall,
das ist schon ein halbes Spital oder gar ein
Trumm von einem Friedhof.

Ganze Löcher kriegen die drei dort, wo in
der Früh der volle Bauch war, so arg ist der
Hunger. Dann etliche Zeit vor dem Finster-
werden geht der Dreier zur Hütten, inacht
das Feuer und kocht.

Bald der rechte Wind geht, können es die
zwei bei der Arbeit auf dem Schlag schmecken,
was der Dritte kocht und ob er was anbrennen
laßt oder nit.

„Was hast ihm vorgeben heut?" fragt der
Naz und zieht die schwere Zugsag hin und
wieder zruck.

„Auf einen Schmarrn Hab ich ihm vor-
geben", sagt der Much, „Mehl, Schmalz und
drei Eier."

„bind drei Eier", sagt der Naz und schmeckt
in die Luft, daweil er zieht.

Der Beit ist schon fest beim Geschäft. Weil
er keine Milch hat, so brennt er den Schmarrn
mit dem heißen Wasser ab und richtet dann
den Teig vor. Daweil er den Teig vorrichtet,
blinzelt er die drei Eier an, die ihm der Much
vorgegeben hat.

„Drei san zviel", denkt er und nimmt das
dritte Ei in die Hand, „zwoa fa gnua", und
macht in das Eierl oben und unten ein Löchl
drein und zutzelt das ganze Ei aus.

Aber so ein einschichtiges Ei allein iS gar
nix. Was soll ein hungriger Holzknecht von
einem einzigen Hennenei spüren? Nix spürt er.
Wenn er was spüren wollt, müßten es nit
weniger als zwei fein, bind schon zutzelt der
Beit daS zweite Ei aus, und weil ihm das
dritte Ei, wie es gar so einsam und verlassen
dort liegt, erbarmt, zutzelt er daü dritte Ei
auch noch auS und kocht den Schmarrn ohne
Eier.

Gut is.

Der Much und der Naz kemmen vom
Schlag und steigen gleich in den Schmarrn
drein.

„Guat is er", sagt der Naz, und der Much
sagt: „Guat iS er, aber fehln fuf ihm was."

„Was soll ihm denn fehln?" fragt der Beit
glei zruck.

„A, nix, i Hab nur glaubt", sagt der Much.

So essen sie alle drei eine Weile fort und
der Beit glaubt schon, eS ist alles gut ge-
gangen.

Auf einmal tut der Much ganz schrecklich.
Es muß ihm was in den falschen Schlund
kemmen sein. Er bellt und hustet und springt
aus und schlagt aus mit Händ und Füßen.
Der Naz und der Beit dreschen aus seinen
Buckel. Endlich findet der Much seine Stimm
wieder und sagt: „I Hab a Eischalen

gschluckt!"

„Dös lüagst", schreit der Beit, „Eier san
gar net drinnen!"

„Kikeriki!" schreit der Much, „hiaz wissen
mier's."

Der Pflug

Sechs Tag hat die Wochen, der siebte aber
is der Sonntag.

Am Samstag machen die Holzknecht früher
Schicht, daß sie no zeitgerecht ins Dorf kem-
men, das Pech wegwaschen und eine neue
Psaid anziehen, das Haar auskampeln und in

Mitten unter den schönen, großen Feichten
und Tannen steht auch ein Dürrling. Er ist
nit gar hoch, und der Beit haut ihn mit sei-
nem Hackl um.

Liegt der Dürrling so da, und die drei Holz-
knechte schauen ihn so an.

„An rechten Dürrling soll ma mit der
bloßen Faust asten", sagt der Much.

„Ja, dös sagen die alten Weiber", meint
der Beit.

„Probier's", sagt der Naz.

Da stellt sich der Much ganz in den dürren
Baum drein und haut mit der bloßen Faust
den Wipfel oben weg.

„Daö iS no nix", sagt der Beit, schupst den
Much weg, macht eine richtige Holzknechtsaust

die Feiertagshosen steigen und den schönen
Rock nehmen und den feschen Hut dazu.

Wie die drei beim Schwarzenecker fürgehen
und in die Stuben schauen, liegt der Bauer
hinterm Ofen und raunzt sich.

„Dös faule Trumm", sagt der Much.

„Da muaß was gschehn", sagt der Beit.

„Schaut's!" sagt der Naz und deutet auf
den Acker hin.

Der Acker ist frisch umgebaut und fertig.
Aber der Bauer hat den Pflug draußen stehn
lassen, weil er zu faul war zum Einfahren. —

In der Nacht kemmen die drei gegen
Schwarzeneck her, packen den Pflug und tun
ihn auseinander. Dann nimmt der Much die
Schar, der Beit die Sterzen und der Naz
das Gestell. So steigen sie mit der großen
Leiter heimlicherweis auf das Stalldach und
setzen oben den Pflug wieder ganz richtig
zsamm.

In der Früh stürzt die Bäuerin in die
Stuben und schreit: „Bauer, der Pflug steht
aus dem Stalldach!"

Der Bauer aber ißt ruhig seine Milch-
suppen weiter.

Er steht, wie die Kirchenleut stehen bleiben
und in die Luft zeigen und lachen. Aber das
macht ihm gar nichts.

„Bauer, hörst nit!" schreit die Bäuerin
wieder, „auf'm Stalldach iS er oben!"

„Beronika", sagt der Schwarzenecker ganz
langsam und schiebt das Brottrumm in den
andern Backen, „da bin i gwiß nit auffi-
g'fahrn!"

und schlagt dort weiter, wo der Much aus-
gehört hat. Er schlagt, bis ihm das Blut aus
der Faust rinnt. Dann gibt er dem Naz einen
Schupfer und sagt: „Hiez tua du!"

Der Naz hat natürlich ein Trumm Stein
in der Faust.

„Tua den Stoan weg", sagt der Much/
„dös gilt nit."

Und so haut der Naz halt a mit der bloßen
Faust, und weil er in die Hitz kimmt, haut er,
bis alles rot hergeht. Dann wischt er das Blut
in die Lederhosen und zählt seine Finger.
„Wohl", sagt er, „eS san no zehne!"

Jetzt hat der Dürrling nur mehr einen Ast.
Der Naz voller Zorn will schon um das

Ästschlagen mit der bloßen Zaust

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