Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Markt in Guernavaca

Porep-Mexiko

klirrend fiel das Symbol auf den Schreibtisch.
Dieter mußte lächeln, als er es erblickte: „Abra-
xas! — WaS für Kinder wir doch waren,
Inge! Vielleicht hätte es gewirkt, wenn wir
ernsthafter gewesen wären!"

„Nein — nicht ,wir' Dieter — ich — ich
allein habe daS Glück betrogen — ich habe
die Mark nie geschickt" schluchzte Inge.

„Aber liebeö Kind — beruhige dich doch —
es ist ja noch lange nicht aller Tage Abend.
Wir haben ja uns — wer weiß, zu was das
alles gut ist? Sollst sehen, vielleicht werden
wir noch die glücklichsten Menschen von der
Welt!"

„Nein Dieter! Niemals, solange das Ding
existiert! Es rächt sich für meinen Betrug,
chlnabsehbare Folgen* stand aus dem Zettel.
Wir müssen AbraxaS vernichten, sonst ver-
nichtet eS uns!"

Ganz blaß war Inge und blickte aus wild
entschlossenen Augen.

„Gut — vernichten wir eS, wenn dich daS
beruhigt." Schon setzten Dieters Finger an,
um die zarten Pergamentblättchen zu zerreißen.

„Nein", rief Inge, „zerreißen genügt nicht.
Der Fluch würde an jedem Schnipsel hängen
bleiben — verbrennen will ich es!"

Sie riß ihm das Symbol aus der Hand
und stürmte in die Küche. Es war Abend ge-
worden und daS Teewasser kochte auf dem
Herdseuer. Wütend polterte der FrühlingSsturm
im Schornstein. Inge schob den Kessel zur
Seite und warf AbraxaS in die flackernden
Flammen. Wolf-Dietrich war ihr gefolgt und
beide sahen dicht aneinandergeschmiegt zu, wie
die korallenroten Blättchen sich krümmten und
ein paar Funken in den Schornstein stoben.
Das Kettchen leuchtete noch einmal golden auf
und schmolz. Ein leiser Geruch verbrannter
Halit war alles, was das Glücks-Symbol zu-
rückließ. Dr. klhlenkamp gedachte einer Stelle
seiner Abhandlung über die Folgerichtigkeit des
blnbewußten:

„Gedanken und Taten — was dasselbe
ist — fallen wie Steine ins Meer des Ge-
schehens. Ringwellen gehen von der Stelle
aus und niemand weiß, lvann und wo sie sich
totlausen-."

Ob die Abraxaö-Wellen sich nun totgelaufen
hatten??

Nein-der Sturm riß die Funken des

verglimmenden Symbols im Schornstein hoch
und jagte sie aliss Strohdach. Das HauS

brannte in der Nacht ab. Mit Mühe retteten
Dieter und Inge das nackte Leben.

%

Gegen Ende des Jahres stand an Stelle des
verbrannten Strohdachhauses ein nagelneuer
Bau, illit roten Ziegeln gedeckt, inmitten flani-
mender Herbstblumen.

Die Versicherung hatte ihre Pflicht erfüllt
und das HauS wieder aufgebaut. Frühere
Werke Dr. blhlenkampS erlebten nelie Aaf-
lagen. Der „Rahmen des Verlags" paßte im
neuen, hoffnungsfrohen Deutschland sogar auf
Dietrichs letztes Werk, ohne daß er unter die
Kamele zu gehen brauchte, lind die Philo-
sophische Rundschall hatte längst die ^Abhand-
lung über die Folgerichtigkeit deS blnbelvußten
veröffentlicht.

„Siehst du, Inge — nun haben die Abraxaö-
Wellen sich totgelaufen!" sagte Dieter und
legte den Arm um die Schultern seiner Frau.

Inge machte sich schwer, schmiegte sich an
Wolf-Dietrichs Brust, wobei sie ihn sanft ins
Ohr biß:

„Ouatsch, Dieter, am Morgen nach deili
Brand habe ich mir zwei Mark achtzig ge-
pumpt lind sie der Gräfin Plattenberg ge-
schickt."

436
Register
Porep: Markt in Guernavaca
 
Annotationen