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Paul Ernst: „Tagebuch eitles Dichters“. 353 S. In Qanzl. 7.50 M.

Verlag Langen/Müller, München.

Auf den schönen Band „Drei kleine Romane“ folgt nun, eben-
falls im Rahmen der Gesamtausgabe Paul Ernsts, jedoch auch
einzeln erhältlich, das „Tagebuch eines Dichters“, herausgegeben
von K. A. Kutzbach. Es ist kein Tagebuch im üblichen Sinn, mit
Daten und persönlichen Aufzeichnungen, wenn zwar die Abschnitte
dieses großen Werkes aus den Jahren 1912—19 stammen und an
sie unverkennbar gebunden sind, sondern es ist — wenn man es
so nennen will — ein verobiektiviertes Tagebuch: wohl liegt der
Anlaß dieser Aufzeichnungen in irgendwelchen Tagesfragen, aber
der Dichter ließ es nicht bei dem zufälligen Nebeneinander, son-
dern er ordnete seine Gedanken und formte sie zu klar geglie-
derten Aufsätzen und Essays, gruppiert um ein Wort, das den
Dichter zum Nachdenken zwang, um ein Geschehnis, ein Problem,
einen Begriff: Treue, Stolz, Beruf, Armut. Das Böse sind solche
Begriffe, die ihn zur Auseinandersetzung führten; Der Künstler,
Der Schriftsteller, Literarische Kritik, Kinokunst, Sprache und
Dichtung sind die Titel anderer Abhandlungen. Auf sehr persön-
liche Art wird hier Stellung genommen, Zeitkritik geübt, Zu-
künftiges seherhaft erhellt. Eine Unmenge von Wissen offenbart
sich zwischen den Zeilen, ein zwingendes Urteil, ein strenges
Ethos. Nicht alles ist von unbedingter Richtigkeit, aber darauf
kommt es nicht an: ein Tagebuch erhält seinen Wert einzig von
der Persönlichkeit seines Verfassers, nicht von der Richtigkeit
und Unrichtigkeit einzelner Sätze. Und als Tagebuch will dieser
geradezu unerschöpflich reiche Band genommen werden, der von
einem einmaligen, unentwegt wachsamen, klar und zielbewußt
denkenden Menschen zeugt und außerdem immer wieder zu neuem
Drinblättern und Lesen verleitet; dies aber ist das Schönste, was
man von einem Buche seiner Bibliothek sagen kann. Karl Ude

Olaf Gulbranson, „Es war einmal“, (Piper & Co. Verlag, Mün-
chen.)

Ein Faksimilebuch des genialen Zeichners, gleichzeitig eine tief-
gründige Saga von Land und Leuten in des Künstlers Heimat. Mit
diesem Buch hat der Verlag einen beneidenswert günstigen Griff
getan, denn Menschen wie Gulbranson gibt es auf dieser Welt und
in diesem Jahrhundert so rasch kein zweitesmal. Gulbranson schil-
dert sein Leben von den ersten Jugendjahren bis zu seinem Ein-
treffen in München. Merkwürdige Gestalten tauchen auf, barbari-
sche und dämonische, gütige und gefährliche, nüchterne und betrun-
kene; ein grausiger, grotesker Humor wechselt ab mit sanften
lyrischen Tönen und die ganze menschliche Seele in ihrer wunder-
baren Verworrenheit gibt sich kund als ein schlichtes und gutes
Lied auf das Märchen des, Lebens. Daß die Zeichnungen, mit denen
der Künstler seine Schilderungen schmückt, alles Ähnliche in den
Schatten stellen, bedarf keiner Betonung. Alles in allem: ein Bilder-
buch von ergreifender Innerlichkeit, das Märchenbuch eines Künst-
lers, wie wir außer Wilhelm Busch und Rudolf Wilke in den letzten
hundert Jahren keinen mehr besessen haben. Weiß-Rüthel

Georg Bondi, „Erinnerungen an Stefan George“. (G. Bondi Ver-
lag, Berlin.)

Stefan Georges Verleger gibt Erinnerungen an den großen Unnah-
baren preis und versucht, zu beweisen, daß der merkwürdige Mann
doch auch mitunter den elfenbeinernen Turm verließ, um Mensch
zu sein unter Menschen. Es mutet, ehrlich gesagt, ein wenig miß-
glückt an, wenn Bondi erzählt, wie Stefan George einst seiner Frau
— der Frau Bondis — beim Aufziehen von Vorhängen behilflich
war, lediglich um damit zu dokumentieren, daß George durchaus
nicht nur in den Wolken schwebte. Auch sonst erfahren wir nichts,
was menschlich interessieren könnte; das Endresultat ergibt eben
wieder das Bild, das man sich von dem eigenartigen Menschen —
der von Bondi auf Schritt und Tritt mit Goethe verglichen wird —
immer gemacht hat. Der alte Lichtenberg sagte einmal: „Ein genia-
ler Kerl ist nie feierlich.“ Womit alles gesagt ist, was offenbar
auch Herr Bondi zu beweisen bestrebt ist. Für Stefan George-Ver-
ehrer ist das Büchlein selbstverständlich eine Art Evangelienkom-
mentar — für den Buchhändler ein praktisches Nachschlagewerk,
denn es enthält bibliographisches Material in Fülle.

Weiß-Rüthel

CarlZiickmayer: Eine Liebesgeschichte. Mit 21 Zeichnungen von
H. Meid. S. Fischer Verlag, Berlin. (Geh. 2.50. kart 3 50
in Leinen 4.50 Mark.)

Wenn man Carl Zuckmayers jüngste Erzählung schlechthin als
meisterhafte Schöpfung bezeichnete, so wäre damit eigentlich
alles über sie ausgesagt. Aber dabei soll es nicht sein Bewenden
haben. Der Stoff: das uralte Motiv von der Torheit der Herzen.
Ein Rittmeister der friderizianischen Armee verliebt sich in eine
ehemalige Opernsängerin, die eben noch die Freundin seines
Regimentskameraden, eines Majors, war. Der Dichter sagt von
ihr, daß sie „der eine oder andere sogar ziemlich gut“ kannte.
Dieser Liebe, die zwei Menschen jäh und ganz packt, ist von
vorneherein in den gesellschaftlichen Gegebenheiten die Schranke
gesetzt: dem Offizier aus Berufung und Bewährung läßt sie in
völliger Hingebung und Treue an die Geliebte nur einen Weg
ins Freie.

Zuckmayer stellt uns mit sparsamsten Mitteln zeichnender Wort-
kunst die drei Hauptfiguren der Erzählung vor und wir gleiten
dann im Flusse der Begebenheiten in die von heißer Leidenschaft,
Schicksal und Tragik umwitterte Atmosphäre hinüber. Wir sind
bis zum Schluß von dem Beglückend-Schmerzlichen dieser fast
unirdisch verklingenden Liebesepisode ergriffen. Das Strenge und
Zarte friderizianischer Seelenstruktur, das uns schon einmal in
einer deutschen Dichtung, in Lessings Minna von Barnhelm, gegen-
wärtig ist, hat auch hier atmendes Leben gewonnen. Der Dichter
Zuckmayer beschwor glücklich den Geist des preußischen Rokoko,
das sich in den männlichen Hauptfiguren in zwiefacher Bedeutung
verkörpert; der amoureuse Hauch jener Zeit hat in der Erschei-
nung der Lili Schallweis eine naturnahe Deutung gefunden. Die
geschliffen-straffe Sprache hat einzigartig reiche Prägungen. Man
wird mit diesem Buch dem Dichter der „Katharina Knie“ wieder
und wieder zugetan, der allem Leben eng verbündet, der der
jubelnd-wehen Zeugung mit des Wortes Gewalt hingegeben ist.

Die Federzeichnungen von M. Heid erhöhen den beseligenden
Reiz der Erzählung, die diesem wahrhaft deutschen Dichter viele
neue Freunde zuführen wird. z.

ZUSCHRIFT AN DIE „JUGEND“

Kommando

der Marinestation der Ostsee

B.-Nr. A. 11145.

Kiel, den 6. Oktober 1934.

An

den Verlag der „Jugend“

München.

Betr.: Heft 39.

Liebe Jugend!

Reizend ist die Geschichte von dem Obermaat, der da stock-
besoffen im Rinnstein liegt und bereit ist, zugunsten der Frauen
und Kinder sein wertvolles Leben hintenan zu setzen.

Nur eins gefällt den „Obermaaten“ der Reichsmarine nicht, daß
es ausgerechnet einer von ihnen sein soll, der da stockbesoffen im
Rinnstein liegt! Denn ein Obermaat ist ein älterer Unteroffizier
mit vielen Dienstjahren, der sich auch in vorgerückter Stunde nicht
im Rinnstein aufzuhalten pflegt, was der „Jugend“ zweifellos nicht
bekannt ist.

Wenn Du also die nächste reizende Marinegeschichte erzählst,
denk bitte daran und schreib nichts vom „Obermaat“, sondern viel-
leicht besser vom „Jan Maat“.

Mit deutschem Gruß!

Heil Hitler!

Im Aufträge:

Der III. Admiralstabsoffizier:
(Name)

Korvettenkapitän.

*

Weshalb wir diese Zuschrift veröffentlichen? Weil sie ein
eklatanter Beweis dafür ist, daß bei unserer braven Reichsmarine
der Sinn für Humor noch in voller Blüte steht und üaß es auch
eine Möglichkeit gibt, einen redaktionellen Fauxpas in einer liebens-
würdigen und einsichterweckenden Form zu rügen. Deshalb gehen
wir mit Reue in uns und versichern den trefflichen Obermaaten der
Deutschen Reichsmarine, daß wir bei Abdruck der kleinen Anekdote
keinen Augenblick lang an einen der ihren gedacht haben und daß
uns grundsätzlich nichts ferner liegt, als tapfere und tüchtige Leute
zu beleidigen. Also: nichts für ungut, Herr Korvettenkapitän, und
herzlichsten Dank für Ihren Hinweis. Wir empfehlen uns Ihnen
und der gesamten Deutschen Reichsmarine

mit deutschem Gruß

als die Redaktion der „Jugend“.

934 / JUGEND NR. 45 / 1. November 1934 Viertel] ahre&Pveis 7 Mark, HefUPreis 60 Pfennig

Begründer: Dr. GEORG HI R T H. — Verantwortlich für die Schriftleitung: ARNOLD WEISS-RÜTHEL; für die Anzeigen: GEORG POSSELT, München. —
"erlag: G. HIRTH VERLAG., München. — Für die Herausgabe in Österreich verantwortlich: J. RAFAEL, Wien I, Graben 29a (Eingang Trattnerhof). — Für die Redaktion
r Österreich verantwortlich: MARIANNE RAFAEL, Wien XIX, Hochschulstraße 25. —Alle Rechte Vorbehalten. — Nachdruck strengstens verboten. — Copyright by G. HIRTH
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Arnold Weiss-Rüthel: Aus dem Büchermeer
Karl Ude: Aus dem Büchermeer
[nicht signierter Beitrag]: Zuschrift an die "Jugend"
 
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