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H. Mayrhofer-Passau

Nirgends klingen die kleinen Lieder: Wenn die Schwalben heim-
wärts ziehn, Gute Nacht, du mein herziges Kind — so herrlich, nir-
gends klingen die alten lockenden Walzer von Strauß, Gungl, Lanner
so rührend lieb wie aus diesen Gärten, wo du allein mit deinen paar-
letzten Hossnungen verweilst.

Aber wie schön ist dies alles, weißt du erst immer, rvenn du wieder
fort bist. Wenn man nimmer da ist, weiß man dann plötzlich, daß
diese Stadt deine Heimat ist, so wie sie uns manchmal aus Kinder-
tagen, aus alten Ländern, aus schönen lieben Bildern, einer süßen
Erinnerung aufsteigt.

Ach, wieder fort, wieder draußen in Fremde und Bitternis, unter
verirrten, betörten Menschen sein und doch wie tröstlich ist eS, zu
wissen, auch über der Heimat sternt derselbe Himmel.

D große Gnade des Lebens, arm zu sein! Entbehren zu müssen,
wieder in Sehnen und Enttäuschungen durch große Städte irren und
dann wieder in diesen uralten Alleen, kleinen Kneipen träumen, am
Mönchsberg wandern, in der Ferne die nahen Alpen, den tiefblauen
Himmel... bind überm Mozartplatz tröstet das Glockenspiel: Dort
unten in der Mühle .. .

Wieder nachts vorm Fenster ein Wasser rauschen hörn! Vor
Sonnenaufgang liegen zaubervoll ferne und nahe Landschaften und
blicken schimmernd in die alten Gassen herein... Erst in zwei Stunden
löscht man die Laternen. In rosigem Morgenlicht glimmt die Burg
auf, und langsam steigt die Sonne hinter dem weißen Gebirge auf.

Morgenhell ist dein Zimmer, und der Menschen Lärm macht dich froh.

Durch die Bierjodlgasse wanderst du übers Nonntalkloster hinaus.
Ein ewiges Ostern liegt in den Lüften. Hab Mut, kleines Herz!
Wenn die Sonne vorüber, lagerst du zufrieden im hohen GraS. Wenn
die Sonne dann in die Fenster der Burg brennt, als ständ' sie im
helljten Feuer, und die Glocken alle so traumhaft schlagen, kommt viel-
leicht ein dunkles Ahnen über dich.

Ja, wo soll man leben? Aber eS ist hier zu schön. Es ist hier nur
schön, um in den Armen einer geliebten Frau, von treuen Freunden
umhegt, so ganz, ganz langsam sterben zu können, die letzten Blicke um
diese geliebte und doch so schmerzliche Erde, diesen blautraurigen
Himmel mit seinen hoffnungsvollen Sternen! —

Am Nachmittag bist du in Hellbrunn. Der stille Park ist da von
uralten, stählern schilfbekränzten Weihern umspielt. Beete voll Rosen
um die Statuen und umgestürzten Säulen. Die letzte Sonne flattert
wie ein Schmetterling über GraS und KieS. Kühl, fröstelnd weht eS
aus den Grotten. Ein leichter Nebel hängt sich in den Wipfeln der
Pappeln. Da tönt die alte Orgel vom Puppentheater.

Mondlicht funkelt durch die Alleen. Illnd daS Herz seufzt auf...
Gib Ruh! AlteS und doch so dummes Herz!

bind wenn der Mond droben über die Stadt schaukelt, wie eine
von einem Mädchen angebissene Ananas, oh, dann rührt Musik wieder
jünglingshaft dein Herz, und es schlägt wieder jung... ach, all die
bittern Enttäuschungen der Geliebten, denen man begeistert all dies
Herrliche gewiesen, ihr Lachen, Verrat, Glühn, Betrügen, Fliehn —
konnten dies kleine Ding nicht sterben machen, dann ist man wieder der
dumme Knabe voll Hoffnung.

Dann wünscht man wieder hier in geliebten Träumereien selig zu
sein und vertraut wieder den Menschen, dem Leben und den lockenden
Fernen.

O, in der herrlichen, alten Gastwirtschaft zu Aigen zu hocken! Die
ganzen Lichter der Dämmerung spielen hinterm Weinglas. Drüben,
vom Schloß herüber, plätschert der Brunnen. Der ganze wilde
Sonnner duftet... Noch tropfen die Blätter der Bäume vom Nach-
mittagSgewitter. Dann die Treppen hinab, dorfeinwärts dem Abend-
rot zuwandern. Drinnen liegt die Burg mit den schönen Hügeln, alten
Gassen und vielleicht auch wieder einer Hoffnung für dein heimatlos
irrendes Herz ...

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Hermann Mayrhofer: Der slte Steg
 
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