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Bastian Schmid: „Begegnung mit Tieren .“ Mit 57 Abb. und 5

Skizzen. (München 1936, Knorr & Hirth. 175 S., 15 Taf.

Geb. RM. 3.80, Leinen RM. 4.90.)

Tierpsychologie ist eine schwierige Sache, da sic mehr als eine
rein wissenschaftliche Angelegenheit ist. Wer Tierpsychologe sein
will, muß in erster Linie Tierfreund sein. Nur Liebe führt hier zur
Erkenntnis. Wohl wenige Forscher, die sich der Ergründung des
tierischen Seelenlebens zugewendet haben, können sich in dieser
Hinsicht mit Bastian Schmid vergleichen. Symbolisch für die Wesens-
art dieses Mannes, für sein Verhältnis zum Tier ist das Umschlag-
blatt seines neuen Buches „Begegnung mit Tieren“. Das Äffchen,
das da unter seinem linken Arme kauert, fühlt sich wohlgeborgen,
und der Blick des Forschers ruht mit väterlicher Liebe auf seinem
Schützling. Wie seine früheren Werke — wir nennen nur „Das
Seelenleben der Tiere“ (1923) — zeugen auch diese Begegnungen
mit Tieren von seiner innigen Vertrautheit, seiner inneren Aufge-
schlossenheit und seinem feinen Instinkt für das Seelenleben der
Tiere. Man hat gegen Schmids Betrachtungsweise eingewandt, daß
er zu sehr anthropo-morphisiere. Dieser Einwand mag berechtigt
sein oder nicht, wir lassen es dahingestellt, ob Schmids Deutung
immer das Richtige treffe: jedenfalls ist er ein ungemein liebevoller,
aufmerksamer Beobachter, der uns vieles im tierischen Verhalten
verständlich gemacht hat, was wir bisher noch nicht gesehen haben.
Mit unermüdlicher Geduld stellt er seine Versuche an, ob er nun die
Sehschärfe des Falken untersucht, oder die Riechwelt des Hundes,
oder die ersten Lebensregungen des Kükens. Überdies ist Schmid ein
ganz ausgezeichneter Schilderer, er ist nicht nur strenger Wissen-
schaftler, sondern auch ein begnadeter Schriftsteller, dem die Gabe
des Wortes in seltenem Maße verliehen ist. Diese Eigenschaften
machen auch sein neues Buch zu einer genußreichen Lektüre, die
sich kein Tierliebhaber entgehen lassen sollte.

Dr. Max S t e f 1.

Leopold Weber: „Die Odyssee Deutsch.“ Mit 10 Abb. nach Holz-
schnitten von Ludwig v. Hofmann. (München 1936, Georg
D. W. Callwey und R. Oldenbourg. 371 S.)

Fast unübersehbar sind die Bemühungen, die Homerischen Dich-
tungen dem deutschen Schrifttum einzuverleiben. Wir haben original-
getreue Übersetzungen, die sich streng an das Original anschließen.
Das Übersetzungswerk von Voß ist ihr unvergängliches Vorbild.
Wir haben ferner freie Nachdichtungen, denen es weniger auf die
äußere Form, als auf den Geist ankommt. Aber alle diese Versuche,
so unähnlich sie untereinander auch sein mögen, richten sich streng
nach dem Original, d. h. sie sind eben im eigentlichen Sinne des
Wortes Übersetzungen. Nun bekommen wir plötzlich einen „deutschen
Homer“ in die Hand, der nicht mehr bloß Übersetzung, auch nicht
Nachdichtung, sondern Neudichtung sein will. Der Schöpfer dieses
Werkes ist Leopold Weber, dessen 70. Geburtstag wir kürzlich
feiern durften. Er hat Homer nicht nur umgedichtet, sondern im
Geiste der deutschen Heldendichtung umgestaltet. So sind manche
für unser Gefühl widerspruchsvolle Eigenschaften und Züge im
Charakter des Odysseus bei Weber ausgeglichen: er hat, wie er
selbst betont, das Schönste aus dem für unser Bewußtsein nicht
mehr Verständlichen herausgeschält und so ein Bild des Helden
geschaffen, das dem nordischen Heldenbegriff in höherem Maße ent-
spricht. Er hat auch manches Eigene und doch in Homerischem
Geiste Empfundene hinzugefügt, um die Gestalten der Dichtung dem
Bewußtsein der Gegenwart näherzurücken. Im ersten Augenblick
klingt manches wohl etwas ungewohnt: man vermißt den weitaus-
holenden Hexameter und findet sich nicht ohne weiteres in die
Knappheit und Gedrängtheit der Eddaweise hinein. Wenn man sich
aber einmal hineingelesen hat, steht man ganz im Banne dieser
ungewöhnlichen Leistung. Der Rhythmus der kräftig geformten
Verse bezwingt auch den Widerstrebenden. Der heldische Charakter
der Dichtung kommt in dieser Umformung ungemein lebendig zum
Ausdruck. Das spezifisch Epische des Homerischen Gedichts wird
geradezu dramatisch gesteigert. Der Schwerpunkt von Webers Um-
dichtung liegt nicht so sehr in der Wiedergabe der Handlung und
der Abenteuer des Odysseus, als vielmehr in der Herausarbeitung
der Lebensanschauung und des bewegenden Sinnes der Dichtung.
Ähnlich hat einst der Sänger des Heliand die biblischen Berichte
umgeformt. Wir betonen nochmals: man muß Webers Odyssee als
Neudichtung, nicht als Nachdichtung betrachten. So gesehen, ist sie
nicht nur ein kühnes Wagnis, sondern auch Zeugnis eines starken,
eigenwilligen Dichtertums, dem wir unsere Bewunderung nicht ver-
sagen können. Dr. Max S t e f 1.

Das ändert die Sache

In ben 0übffaafen Norb-
amenfaö iff eS in manchen länb-
lichen Distrikten noch Sitte, baß
ber Lehrer bes Ortes sein Gehalt
in Form Von Fleisch, Kartoffeln
usw. erhält. Nun . lebte einmal
in einer Gemeinbe eine sehr zahl-
reiche Familie, beren Kinber noch
alle zur Schule gingen; troßbem
fiel es ben Eltern, obgleich sie
keineswegs arm waren, gor nicht
ein, bem Lehrer ihren Tribut zu
zahlen. Eines Tages aber trat
bie älteste Tochter an ihn heran
unb sagte: „Mein Bat-er will
Ihnen ein Schwein schicken." —
„Das wirb mich außerorbentlich
freuen; sag' ihm bas", erwiberte
ber überraschte Lehrer. Doch es
Vergingen eine, zwei unb schließ-
lich brei Wochen, ohne baß bas
Schwein im Schulhaus abgege-
ben würbe. Schließlich fragte ber

Lehrer bie Kleine: „Wo bleibt
benn baS Schwein, bas bein
Vater mir schicken wollte?" —
„Oh, baS ist wieber gesunb ge-
worben", antwortete sie. W.

Bestrafte Eitelkeit

Als vor etwa hunbert fahren
ber türkische Gesanbte A ch m e t
Effenbi in Berlin weilte,
besuchten Ihn viele Damen guter
Kreise auS Neugier, ^mmer war
er liebenSwürbig unb unterhaltenb
unb gab allen — wie es seine
Gewohnheit war — köstliche
Bonbons. Einmal gab er einer
bieser Damen wohl baS Doppelte
wie ben übrigen, unb sie ließ' ihn,
von Eitelkeit getrieben, burch ben
Dolmetscher fragen, warum er
bieS getan habe. Lächelnb ant-
wortete er: „Weil Ahr Munb
boppelt so groß ist wie ber ber
anberen Damen." W.

Peter Fleming: „Mit mir allein“. Eine Reise nach China. (Ernst
Rowohlt-Verlag, Berlin.)

Wenn Engländer ihre Reisen beschreiben, dann bannen sie die
Gefahr, allzu ernsthaft, allzu dogmatisierend, allzu belehrend zu
werden durch jene freundliche Ironie, die schon den Narren Shake-
speares eigen ist, die aber genau wie bei diesen Narren niemals in
snobistische Respektlosigkeit ausartet. Die scheinbar oberflächliche
Betrachtung der Dinge, das sich mit seinem graziösen Lächeln über
unendlich Ernstes Hinwegsetzen können — um dann, wohlgemerkt,
in einem mit bezwingender Nebensächlichkeit eingeschalteten Re-
flexivsatz die ganze Schwere der Situation eindeutiger zu dokumen-
tieren, als zehn deutsche Professoren das könnten — diese un-
komplizierte Art des Berichtens ist es, die auch Peter Flemings
Bücher so Hebens- und lesenswert macht. Mit „sich allein“, also
in der zweifellos! besten Gesellschaft, die ein Engländer haben kann,
reist der Erzähler von London nach China, macht seine Notizen
und Randglossen, seine Apercus und Zwischenbemerkungen; er
sieht Not, Elend, Grauen, Freude, Zufriedenheit, Glück und Ent-
setzen, Krieg, Tod und Wachstum... summa: das ganze Leben in
seiner grandiosen Vielgestaltigkeit. Wo scheinbar gründlichere
Naturen als Fleming fortsetzt zu kritischen Vergleichen und meta-
physischen Reflexionen angeregt werden, begnügt er sich mit der
geistvollen Projektion des Geschauten auf die Bühne der Gegen-
wart und es gelingt ihm auf diese Weise, die Fülle der Gesichte
in Übereinstimmung mit unserem Interesse zu bringen. Neben einer
Unzahl todlangweiliger Reisebücher haben wir hier wieder einmal
ein überaus lebendiges und vielsagendes, für dessen Herausgabe wir
dem Rowohlt-Verlag unseren Dank aussprechen. AWR.

I. E. Keale: „Königin Elisabeth.“ (H. Goverts Verlag, Hamburg.)

Der leidenschaftsvolle Widerstreit politischer und religiöser Gegen-
sätze hatte über das Bild der englischen Königin ein Zwielicht
geworfen, in dem sich die Konturen aufzulösen begannen. Vom zeit-
genössischen Urteil der gegnerischen Parteien gleichermaßen ver-
göttert wie verlästert, in die blutigen Tragödien einer gewalttätigen
Zeit unentrinnbar verstrickt, ließ Elisabeths Persönlichkeit der Nach-
welt vielfache Ausdeutung zu. So konnte denn aus den wider-
spruchsvollen, lückenhaften und Episodisches ausschöpfenden Dar-
stellungen das wahre Wesen der Königin und die überragende Größe
ihres Herrschertumes nur unvollkommen begriffen werden. Neale
hat es mit der Scharfsinnigkeit des berufenen Historikers verstanden,
die verwirrende Überfülle urkundlichen Stoffes zu prüfen und zu
sondern, Bruchstücke zu anschaulichem Ganzen zu formen und dem
schwankenden Urteil die Strenge erweislicher Tatsache gegenüber-
zusetzen. In der Art, die geschichtliche Persönlichkeit mit dem
großen Blick für das Wesentliche in ihrer Gesamtheit zu sehen und
in dieser Gesamtheit faßlich zu machen, offenbart sich das Meister-
tum des englischen Historikers. Niemals verzweigt oder verengt
sich der breite Strom einer Darstellung, die es der Nachwelt ver-
ständlich macht, daß ein ganzes Zeitalter nach dem Namen der
großen englischen Königin benannt wird. Denn sie führte nicht nur
mit Weisheit und Kühnheit ihren Staat durch alle Fährnisse einer
politisch aufgewühlten Welt, sie wurde auch zur gekrönten Künderin
einer neuen Geistesverfassung und trat als erster Herrscher über
die Schwelle einer neuen Zeit. A. Wisbeck.

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Max Stefl: Bücher
August Wisbeck: Bücher
A. W. R.: Bücher
 
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