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Jugend: Münchner illustrierte Wochenschrift für Kunst und Leben — 42.1937, (Nr. 1-52)

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https://doi.org/10.11588/diglit.6784#0166
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Der Dichter und sein Volk

Ein Dichter muß von der Natur die Begabung haben, — von sich
selber den Willen, diese Begabung zu steigern und sich die
Form für sie zu schaffen, — von seiner Nation und Zeit, die
Anerkennung, welche ihn trägt und ihn die inneren Schwierig-
keiten überwinden läßt, — und endlich eine seiner Arbeit ange-
messene Lebensstellung.

*

Es ist selbstverständlich, daß ein Dichter, der eben nur Dichter
ist, sehr langsam zu seinem Volke durchdringen kann. Er wird
hier und da an den verschiedensten Orten Freunde finden, aber
es wird lange Jahre, unter Umständen sogar nach seinem Tode

dauern, bis diese vereinzelten Kreise sich so erweitert haben,
daß man von einem Durchdringen sprechen kann. Unser größter
nachklassischer Dichter war wohl Hölderlin, zugleich wohl der
einzige, der in die Zukunft wies und so eine lebendige Verbin-
dung mit der Gegenwart hat. Kaum zwei Jahrzehnte ist es her,
daß das Volk ihn angenommen hat, über ein Jahrhundert nach
seinem geistigen Erlöschen.

*

Die Kritik ist entstanden, damit sich die Menschen in der Fülle
der Kunsterscheinungen irgendwie zurechtfinden können, wird
also desto wichtiger, je größer diese Fülle ist.

Paul Ernst

„Tagebuch eines Dichters"

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Register
Felicitas Walcha: Mittagsruhe
Carl Friedrich Paul Ernst: Der Dichter und sein Volk
 
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