Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Jugend: Münchner illustrierte Wochenschrift für Kunst und Leben — 42.1937, (Nr. 1-52)

DOI Heft:
Nr. 19
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.6784#0305
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
>en

giften.
ch öbetf;

ih^ Sek,

heiratslu;

en Passer-
3er noch ■
ltet und!
■'eßt. Von'
l,eni steck«

Von Moiiü
ern Koloss:

en auf

r nieine f
^olg das

sn- Wenn
ch ist, so i

Häuptling:
ßt ihm ein*
ifen!"
Iches... ir;
(Le Rifs

i wiederde
:te geputzt

e

)ung
d ere Note

tW.Sthiili

0, Tel. 20743

and

,chhändlef

eben

2 NO

Elfad, der Afghane

Von Wolfgang Köhler

Der Weg über das Gebirge, so erzählte der Forscher, ein asiati-
sches Gebirge, groß, kalt und kahl, ein tückischer Boden, bald
vom Winde zerfurchter trockener Sand, bald Schlamm, der sich
schwer an die Füße der Tiere hängt — mein Weg über das
Gebirge hatte mich in die Höhe geführt, wo jedes Wachstum
zu ersterben beginnt. Über die Vertiefungen der zerhöhlten Erde
spannt sich Eis, und dieses überweht der Schnee, der hin und
wieder fällt.

Dort traf ich Elfad, den Jäger. Die Glocken der Kamele, die
sonst das wenige Wild vor uns verscheuchten, mochten ihn an-
gelockt haben. So trat er vor mich hin, und ich ließ ihn fragen,
ob er mich über den Kamm des Gebirges führen wolle. Ja,
sagte er.

Er war in zusammengenähte Felle gehüllt, die doch nicht seine
ebenmäßige Gestalt verbargen. Was er bei sich trug, war eine
Flinte mit Munition, ein Feuerstein, ein Messer und ein Säckchen
voll Salz.

Ich erinnere mich, die vom Fleisch der wilden Tiere lebenden Ur-
menschen abgebildet gesehen zu haben, in Museen und in
Büchern. Sie haben da niedere Stirnen und brutale Nasen. Ihr
Blick ist wüst und ihre Glieder sind plump.

Elfads Antlitz aber war schön geformt, seine Glieder wie die der
Antilopen, und vollends sein Blick schien von einem unbeschreib-
lichen Ernst wie verschleiert zu sein, jener Trauer, die in den
Augen edler Tiere ist. Er schritt uns voran mit einem leichten,
knabenhaften Gang. Die Bewegungen seines braunen Körpers
waren fein und rasch, und jeder Schuß, den ich von ihm sah,
traf gut.

Am Abend saß er wie ein Schatten neben dem Feuer, das wir
aus dem trockenen Mist der Yake entfachten, und sah in die
Flammen. Ich weiß nicht, daß er je gelacht oder ungefragt
gesprochen hätte.

Mit der Zeit gewann er Zutrauen zu mir, und durch das wenige
Afghanisch, das ich verstand, erfuhr ich, daß er jahraus jahrein
in diesen Bergen umherstreifte. Er nächtigte in Höhlen und
Mulden, er trank das Wasser der wenigen Quellen oder des
geschmolzenen Schnees und er aß das Fleisch der erlegten
Tiere, Kulane, Antilopen, zuweilen auch Bären, deren Fell er auf-
hob und im Frühling in den Tälern verkaufte. Im Frühling, sagte
er mit aufleuchtenden Augen. Im Frühling komme ich zu meinen

\

\



Freunden. Seine Freunde, das waren im Frühling alle Menschen,
die er traf.

Das ganze übrige Jahr aber gehörte er der Einsamkeit dieses
Gebirges, die mit keinem Wort unserer Sprache bezeichnet
werden kann. Denn das ist nicht die Einsamkeit des Meeres und
nicht die Einsamkeit unserer Alpen; es ist eine asiatische Ein-
samkeit.

Man konnte es sich kaum vorstellen, aber er mußte doch einmal
eine Mutter gehabt haben, an der er hing, und einen Vater, der
ihn die Fährten des Wildes und den Gebrauch der Büchse lehrte.
Er muß doch einmal vor einem Mädchen heiß geworden sein,
jung und stark wie er war. Sein ganzes Wesen verbot, daß man
ihn danach fragte, und er hat sein Geheimnis gut gewahrt, der
Schweigsame.

Denn er verfiel plötzlich derselben Krankheit, die mir schon
zwei meiner Diener auf früheren Forschungsfahrten genommen
hatte. 4000 m über dem Meer mag die Luft eine andere Ernäh-
rung fordern als unsere Konserven, noch dazu eine für ihn
durchaus ungewohnte Speise, Gift. Ich gab ihm ein Pferd und
hoffte, daß es ihm in tieferen Lagen besser werden würde. Aber
schon am dritten Morgen bat er mich, ihn zurückzulassen. Ich
muß sterben, Herr, sagte er.

Er starb gelassen, wie es sonst nur langbärtige Philosophen oder
Kämpfer für einen Gedanken tun. Elfad aber war jung, stark
und schön. Wir betteten ihn in den feuchten Sand, und die
Mohammedaner verrichteten ihre eintönigen Gebete, bevor wir
weiterzogen.

Ml



V

vv

Hy\

X

Vi

w

Nürnberg1

feiitii*’

A f f e n s t u d i e

vt


G. Rheinen

1937 JUGEND Nr. 19 11. Mai 1937

Vierteljahrespreis RM. 7.— / Heft 60 Pfennig

Begründer: Dr. Georg H i r t h. / Verantwortlich für Schriftleitung und Anzeigen: Karl Schilling, München. / Verlag: Karl Schilling- Verlag, München,
Kanalstraße 8. / Druck: Graph. Kunstanstalt W. Schütz, München, Herrnstr. 8—10, Tel. 20763. / Für Herausgabe und Schriftleitung in Österreich verantwort-
lich: Dr. Emmerich Morawa i. Fa. Morawa & Co., Wien 1, Wollzeile 11. / Alle Rechte Vorbehalten, j Nachdruck strengstens verboten. / Copyright by Karl
S c h i I I i n g - Verlag, München. / D.A. 1. Vj. 37: 4700. Prl. Nr. 3. / Manuskripte sind nur an die Schriftleitung der ,JUGEND", Karl Schilling- Verlag,
München, Kanalstraße 8, zu richten, j Rücksendung erfolgt nur bei beigefügtem Porto. / Abbestellungen nur 4 Wochen vor Quartalsende
Register
Gustav Rheinen: Affenstudie
Wolfgang Köhler: Elfad, der Afghane
 
Annotationen