Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Jugend: Münchner illustrierte Wochenschrift für Kunst und Leben — 42.1937, (Nr. 1-52)

DOI Heft:
Nr. 20
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.6784#0309
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
DAS MEDAILLON

Von W. H. Dammann

Etliche Jahre mögen vergangen sein, da knüpfte eine Begegnung
am Netz eines alten Geschickes jene letzte Masche, für die es
wohl niemals gelingen wird, einen jeglichen zu überzeugen, ob
sie Zufall oder Fügung war. Und darum mag es geboten sein,
ein wenig dem Schicksal nachzugehen und hernach im Ahnen
des Herzens die Deutung der sonderbaren Ereignisse zu suchen.
Die aber begannen also:

„Nimmermehr tritt mir die Namenlose, die schamlos sich den
Launen deiner Malsucht preisgibt, in unser Geschlecht! Du aber,
Sigibrand, solltest des guten Schwertes Knauf, das du heute
' wieder einmal trägst, in deine Fäuste nehmen und die Dachs-
haarpinsel weicheren Händen lassen. Sei ein — Langobardel"
Der Ritter, der solch verweisende Worte sprach, die schwere
Eichentüre gegen den kunstvoll gehauenen Marmor des Türstockes
praüen ließ und mit mühsam gebändigtem Zorn wuchtig
treppenabwärts schritt, das war Graf Aripert, Herr seiner tiro-
lischen Burg und erbitterter Hasser jedes Artvergehens, weil
solches einst germanische Freiheit römisch entartetem Geiste
unterwarf.

So dachte auch Sigibrand, und wenn der Ahnen Stammesname
in seine Ohren klang, dann weckte er die Stimme des Blutes
und schlug eine heiße Welle der Sehnsucht nach dem Glanz
verwehter Geschlechter unter der Brünne.

Er wandte die Augen zum hohen Fenster, das schmal und tief
in gewaltiger Mauer stand, und heftete den Blick auf der Berge
ewige Majestät, — dort oben war es wie in seinem Herzen:
Ewiger Kampf im Sturm, ewiger Friede im Sonnenschein, zwei
Gegensätze in untrennbarer Einheit, in der Natur wie in seiner
Brust: Die Liebe zur Waffe und zur Sippe, die Liebe zum Weibe
und zur Kunst.

Die Sonnenstrahlen fielen schräger und säumten die Gipfel der
Dolomiten mit himmlischem Purpur. Da legte Sigibrand Schwert
und Handschuh ab und eilte im leichten Rittergewand zu jenen
Gemächern im Turm, die seit wenigen Tagen seiner Kunst und —
Gerswinda heimlose Bleibe boten. Einsam hausten sie droben,
bedrängt vom Zorne Ariperts, weil Sigibrand es gewagt, die
Seele seiner Bilder auf die Burg zu bringen. So schroff wurde
von beiden Ariperts Unmut empfunden, daß der Trotz ihre Lippen

Tegernsee O. Malura

307
Register
Walter H. Dammann: Das Medaillon
Oswald Malura: Tegernsee
 
Annotationen