Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Jugend: Münchner illustrierte Wochenschrift für Kunst und Leben — 42.1937, (Nr. 1-52)

DOI Heft:
Nr. 24 (Nordische Kunst)
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.6784#0382
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Residenztheater ausverkauft. Von vorneherein schieden sich zwei
Gruppen, die des „Ibsen-Anhanges'' und die der Opponenten.
Die Stimmung war wie von Elektrizität geladen, und als die
berühmten Stellen kamen vom „Sterben in Schönheit" und „mit
Weinlaub im Haar" und als Hedda schließlich auch noch die
ängstliche Frage tat, ob Eilert Dövborg sich in die Brust ge-
schossen habe — da brach der Sturm los. Man zischte, man fand
derartige Äußerungen ungemein spaßhaft und bog sich vor
Lachen. Schon nach dem zweiten Akt erhob sich lebhafter
Widerspruch, und nach dem dritten setzte der scharfe Kampf der
Meinungen ein. „Hedda Gabler" fiel durch. Und — wie eine
Kunstzeitschrift damals schrieb — „weil in Berlin gerade die
Theaterskandale Mode geworden waren, wollte München auch
einmal seinen haben".

Es war der erste große Münchner Theaterskandal. Und er hat
den Münchnern die Freundschaft Ibsens gekostet. Schon als das
erste Lachen und das erste Mißfallen durchs Theater zischte, war
er sehr bleich geworden, er saß mit zusammengebissenen Zähnen
in seiner Loge. Nach dem dritten Akt trat er mitten im Lärm des
Zischens und Lachens vor die Rampe und brachte es so weit,
daß das laute Toben für eine halbe Minute abflaute. Aber nach
dem vierten Akt war die Schlacht für ihn verloren. „Hedda
Gabler" war endgültig durchgefallen. Einige Wochen danach
verließ Ibsen München für immer.

Wenn wir heute im Theatermuseum die alten Kritiken der da-
maligen Sturmtage durchgehen, so stoßen wir auf die seltsam-
sten Aussprüche. Es zeigt sich, daß weder Kritiker noch Publi-
kum schon reif dazu waren, um zu verstehen, was Ibsen mit
diesem Stück der oberen Gesellschaftsschichten sagen wollte.
A. R. in der „Post" schreibt: „In der Rumpelkammer der Literatur
werden Ibsens Mordinstrumente einst einen ehrenvollen Platz
neben dem blutigen Messer von Zacharias Werner einnehmen".
Der „Moralist des Fremdenblattes" entrüstet sich über Hedda
Gablers „überaus laxe Begriffe" und rüttelt das Publikum auf,
„doch endlich einmal gegen derartige Machwerke energisch
Front zu machen". Das „Tagblatt" meint, nur die wissenschaft-
lichen Erfahrungen eines Frauenarztes könnten die Handlungs-
weise dieses durch schlechte Erziehung verdorbenen und über-
spannten Frauenzimmers beurteilen, und der Kritiker der „Kölni-
schen Zeitung" jammert, daß er die ganze Nacht herumgerannt
sei, um einen Oedipus zu finden, der ihm Rätsel des Stückes
lösen könne. Eine dieser Kritiken aber wurde geradezu vom
Lesepublikum verschlungen. Sie war aufgemacht als Bericht aus
dem Gerichtssaal und trug den Titel „Fall Hedda Gabler contra
Jürgen Tesmann. Ein ungläublicher Eheskandal". Man lachte und
man verstand die Spitze, die sich gegen Ibsen richtete. War es
doch allgemein bekannt daß der Dichter im Cafe Maximilian
täglich zuerst nach den Gerichtsberichten griff, und sich stunden-
lang in sie vertiefte. „Aha", hatte man schon längst untereinan-
der gesagt, „aus seiner ,Gerichts-Saal-Leserei', da bringt er seine
abscheulichen Stoffe her!"

Die Rollen der Uraufführung waren in den Händen von Conrad-
Ramlo, Dahn-Hausmann, Heese, Stury Keppler und Bonn gelegen.
Der schauspielerische Erfolg hatte sich gut angelassen, trotzdem
wurden die Darsteller des Beifalls, der ihnen galt, nicht froh. Es
war kein gutes Gefühl, das in Enttäuschung versteinerte Gesicht
des Dichters zu sehen.

Vor allem für Frau Conrad-Ramlo als Hedda war diese ganze
Uraufführung eine starke Nervenprobe gewesen. Sie hatte schon
zehn Jahre vorher Ibsens „Nora" in München zuerst auf die
Bühne gebracht, und wußte, daß es beinahe menschenunmöglich
war, es dem Dichter recht zu machen. Schon damals hatte er zu
ihr gesagt: „Wissen Sie, ich sehe auch in dem Theater überhaupt
nur schlechte Kopien meiner inneren Phantasie. In mir habe ich
alle Rollen selber durchgespielt. Ich weiß genau, wie sie sein
sollten!" und das war ja nicht gerade aufmunternd für die Dar-
stellerin einer Hauptgestalt. Als er dann von dem Intendanten
Perfall hörte, daß dieser die Conrad-Ramlo auch für die Urgestalt
der Hedda ausersehen habe, winkte er mit Händen und Füßen
ab. „Nein, nein, so sieht in meiner Seele die Hedda durchaus
nicht aus!"

In anderen Rollen sah er sich die Trägerin der Hedda-Rolle über-
haupt nie an. Denn Ibsen ging ja prinzipiell nur in seine eigenen
Stücke. Und als ihm Frau Conrad-Ramlo einmal zuredete, sie
doch auch einmal in einem anderen Schauspiel zu sehen, um sich
doch ein Urteil über ihre Fähigkeiten bilden zu können, da
schüttelte er nur unwirsch den Kopf. „Gute Dame", sagte er ver-
bissen, „verlangen Sie so etwas nicht von mir. Wer das alles
selber in sich hat — Trauerspiel und Lustspiel — der hat's nicht
nötig, ins Theater zu rennen."

Nur zu den Proben erschien er ziemlich oft. Dann leuchtete sein
weißer Backenbart aus der Kulissenreihe hervor, und sein schar-
fes Auge, das unablässig auf den Spielenden ruhte, machte die
Stimmung noch nervöser, als sie es ohnedies durch die Gestal-
tung des ungewohnten Stoffes war.

Einige Tage nach dem Theaterskandal im Residenztheater erschien
in einer norddeutschen Zeitung eine Kritik, die eine so köstliche
Anregung enthält, daß sie es verdient, als theatergeschichtliches
Kuriosum festgehalten zu werden. Der Kritiker schlug allen
Ernstes vor, man solle doch auch „Hedda Gabler", wie es zehn
Jahre vorher mit „Nora" geschehen war, mit zwei verschiedenen
Schlüssen geben. An einem Abend sollte der herbe Original-
Schluß Ibsens gespielt werden, am nächsten ein süßversöhnen-
der. Dann könne das Publikum selber wählen, was es anschauen
wolle: scheußlichen Naturalismus oder ein Stück, „aus dem man
mit moralisch erhobenem Herzen heimgehen könne".

Dieser Vorschlag entsprach aber den Münchnern nicht. Sie waren
weder für den „scheußlichen Naturalismus" noch fürs „moralisch
erhobene Herz". Und so ist uns diese Lösung erspart geblieben,
das eine witzige Feder damals schlagfertig zum vielbelachten
Wort vom „Durchhaus-Drama mit zwei Ausgängen" gestempelt hat.

R ü t z o w

Hastreiter's

Kräuterkuren

gegen

Ski»!

u. Basedow

Im mm Itlnhen
unö Umlchlöge

Unschädl. ».giftfrei.
Verl. Sie kostenlos
Broschüre

Zrieür.jiastreiler

Gauting
bei München

Lest die
„JUGEND“

VIERTE REICHSTAGUNG

DER NORDISCHEN GESELLSCHAFT
L ü BJS fl K, 18.-21. JUNI 1937

Werbung

bringt

Arbeit

Qualitätsdrucke

geben Ihrer Werbung

eine besondere Note

Graph. Kunstanstalt W. Schütz

München, Herrnstr. 8-10, Tel. 20763

HEiniOTmco s®

munowcn 2 n.ur - flRnuLFSm.sö.

"Rnswi-505” KLISCHEE
Register
Für diese Seite sind hier keine Informationen vorhanden.

Spalte temporär ausblenden
 
Annotationen