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Jugend: Münchner illustrierte Wochenschrift für Kunst und Leben — 42.1937, (Nr. 1-52)

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Nr. 39 (Oktoberfest 1937)
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JUGEND

AUS UNSEREM SKIZZENBUCH

3u wenig sympathisch

Jahren kennt ein bekannter Dorf-
pfarrer die Zenzi als eine zuverlässige,
treue Seele. hat sie seit langem eine

Eigenart. Sie bekommt nämlich seit drei
Jahren ein uneheliches Rind, das sie bei
ihm taufen laßt. Und wenn sie auch sonst
nicht in die Rirche gebt, daraus halt sie.

riim war es einmal wieder so weit, und
die Zenzi meldete ihren vierten Buben an.
Der Pfarrer wußte, daß er nicht viel Er-
folg haben würde, wenn er ihr ins Ge-
wissen redete. Er fragt sie daher ganz
einfach: „Nun Zenzi, von wem ist er
denn? —" „wieder von dem folbigen,
Herr Pfarrer." — „So, so. Ja Zenzi,
wenn Sie ihm jetzt schon so lange treu
sind und jetzt den vierten Buben von ihm
haben, warum heiraten Sie ihn dann
nicht?" — „ Ja Wissens, Herr Pfarrer, ich
Habs mir schon überlegt, aber zum Heiraten
ist er mir wieder zu wenig sympathisch."

Entartete Runst

28ir gingen mit einem Auslandsdeut-
schen aus China, der seit Jahrzehnten zum
ersten Male wieder in München weilte,
durch die Ausstellung „Entartete Runst".
Geduldig betrachtete er die Gebilde er-
krankter Phantasie lind erzählte: Als ich
zuletzt hier war, wurden diese Werke noch
als große Run st angepriesen. Im Jahre
10)2 stand ich in einer Ausstellung vor
einer sogenannten Plastik, die ähnlich aus-
sah wie diese hier vor uns. Mit Mühe
bewahrte ich meine Fassung, ohne heraus-
zulachen. Ein kleines Männchen mit lan-
gen Haaren stürzte auf mich zu und rief:
„wollen Sie das Werk nicht kaufen? was
wollen Sie geben?" Ich besah mir diese un-
saubere, aber nichtsdestoweniger geschäfts-
tüchtige Erscheinung, „wenn ich Staats-
anwalt wäre, nicht unter 5 Jahren Zucht-
haus", bemerkte ich. Die Antwort hatte
mich fast in eine Riesenschlagerei verwickelt.

Angebot

us Runstversteigerungen geht es ge-
wöhnlich hoch her. Besonders, wenn es
sich um eine Massenversteigerung handelt,
wo gleich Hunderte von Bildern und mehr
oder weniger echten Runstgegenstanden
auf den Markt geworfen werden. Bei
einer solchen Versteigerung, bei der es
tumultartig zuging, entstand hinten im
Saale eine Unruhe. Bald unterbrach der
Auktionator die Steigerung lind verkün-
dete:

„Ein Herr hat eine Brieftasche mit drei-
hundert Mark Inhalt verloren. Er bietet
dem ehrlichen Finder dreißig Mark!"

„Ich biete fünfzig", rief aus der Menge
eine Stimme.

Das Inserat

(^iner unserer Leserinnen verdanken wir
folgendes reizende Erlebnis: Meine Toch-
ter, die behauptet, daß ich als Mutti ihr
bester Freund sei, wünscht sich zu ihrem
siebzehnten Geburtstag ein Paddelboot.

Ich spreche mit meinem Mann und der
Wunsch wird erfüllt. Als das Madel das
Boot sieht, wundert sie sich über die zwei
Sitze und fragt, was sie nun mit dem
zweiten Sitz ansangen soll. Ich sage im
Scherz, da müßte sie wohl eine Anzeige in
der Zeitung ausgeben und einen Partner
suchen, Nach einigen Tagen kommt sie
hocherfreut an und sagt: „Dreißig haben
nch beworben, und unter ihnen auch
Vati."

Die Nacht der Reklame

eschwellt mit Rrast, kehrten wir von
einem sonnigen Segelnachmittag in Starn-
berg zurück. Der See war so blau gewe-
sen, die Lust so rein. Eine wirkliche Er-
holung. Rurz vor sieben trafen wir in
München ein, als uns zum Bewußtsein
kam, wir brauchen Zahnpasta! Es war kühl
geworden; wir waren leicht bekleidet und

zum Überfluß ging auch noch ein sanfter
Regen nieder. Da der Drogist schon ge-
schlossen hatte, stürmten wir in die nächst-
beste Apotheke und verlangten Zahnpasta,
wahrend der Apotheker unter seinen
Tuben kramte, lag aus dem Ladentisch
eine Broschüre: „Bin ich ganz gesund?" In
unsere schon fröstelnde, leicht durchnäßte
Seele schlich sich der Gedanke ein: Bin ich
wirklich ganz gesund? Der Apotheker gab
das Heft gerne her, und auf der Heim-
fahrt in der Straßenbahn sielen aus der
Werbeschrift Worte wie: der Autofahrer,
der Büromensch, der Faulpelz ins Auge,
deren Lebensweise und vergiftetes System
dort beschrieben wurde. Das alles paßte
genau auf uns. Man wurde aufgefordert,
in sich zu gehen und einen gewissen Tee
zu trinken. Da kam die Endstation. Als
wir ausstiegen, fühlten wir uns, die wir
eben noch gesund und frisch waren, ernst-
lich krank.

Der Tröster

Q^-in junger Geschäftsreisender, der Süd-
weine verkaufte, erinnerte sich einer guten
alten Tante, die ihr Leben in einem Alt-
jungsernstist zu beschließen gedachte. Sein
Genius sagte ihm, daß hier ein glanzendes
Absatzgebiet sein müsse, denn alleinstehende
alte Damen sind gewiß für „geisti-
gen" Trost empfänglich. Außerdem war
er einmal in England gewesen und wußte,
daß die alteren Ladies sich dort mit Leiden-
schaft Schnapspralinen zu Gemüte führen,
um auf trockenem Wege zu einer feucht-
fröhlichen Stimmung zu kommen. Eines
Sonntags also besuchte unser Reisender die
alte Tante in der stillen Hoffnung, bei
ihren Genossinnen größere Aufträge lan-
den zu können. Als er in dem behaglichen
kleinen Raume eintrat, lag dort auf einem

Aschenbecher eine halbangebrannte Ziga-
rette. „Aber Tante", fragte er, „hast du
Herrenbesuch gehabt?" — „Nein", sagte
fte geheimnisvoll. „Die liegt immer da.
Das riecht nämlich so schön nach Mann."

Die Jugend

Zeichnungen von R o s.

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Ros.: Vignetten
Redaktioneller Beitrag: Aus unserem Skizzenbuch
 
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