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Jugend: Münchner illustrierte Wochenschrift für Kunst und Leben — 42.1937, (Nr. 1-52)

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Nr. 39 (Oktoberfest 1937)
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https://doi.org/10.11588/diglit.6784#0611
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Lustschisfahrt
auf dem Dktobersest 1820

(Klach alten (Quellen im historischen
Stadtmuseum, München)

^/as Oktoberfest im Jahre )§ro zeichnete
stch durch eine besondere Anziehung aus:
den Ausstieg der Luftschifferin wilhelmine
Reichard, die von ihrem Ballon aus
Königspaar und Volk mit Tausenden von
Huldigungsgedichten überschüttete, wor-
aus zu ersehen ist, daß Propaganda aus
der Luft schon vor 117 Jahren in Ge-
brauch war. Die Ballonfahrt bestand da-
mals ebenso lange wie heute die Fliegerei.
Im Jahre 176? stiegen zum ersten Male
der Heißluftballon von Montgolfier, der
wafferstosfballon von Charles auf, und
seitdem waren Luftfahrten keineswegs
selten. Die Temperatur, der Druck und
die Strömungen der Luft wurden er-
forscht; Paffagierfahrten unternommen,
wahrend der Kontinentalsperre hatte
Napoleon sogar den plan, die große
Armee in Luftballone zu verfrachten und
nach England einzufallen.

Für München aber war der Aufstieg im
Jahre i§ro ein einzigartiges Erlebnis.
Gottfried Reichard aus Braunschweig
hatte vom König Map Joseph die Erlaub-
nis erhalten, eine Luftfahrt auf dem
Gktoberfest in München zu veranstalten.
Zugleich versicherte der Monarch das
Unternehmen seiner Allerhöchsten Zufrie-
denheit. Reichard hatte den Stadtvätern
erklärt, daß er seine Luftfahrt wahrend
des Festes ohne weitere Zahlung von den
Zuschauern vornehmen wollte, wenn es
möglich sei, dreitausend Gulden durch frei-
willige Beitrage aufzubringen. Sollten
sich Überschüße ergeben oder das Unter-
nehmen mißlingen, so sollte der verblei-
bende Betrag den Münchener Armen zu-
gute kommen. Zweitausendsechshundert-
fünfzig Gulden gingen ein, und damit
glaubte Reichard das Unternehmen begin-
nen zu können. Der Ballon war schon
zwei Wochen vorher im Rathaussaale zur
Schau gestellt worden.

wer jedoch ausstieg, war nicht Reichard
selber, sondern seine Gattin wilhelmine,
geb. Schmidt. Gemeinderat Find! hatte
auf eigene Rosten ein bayerisches Natio-
nalkostüm für die kühne Luftschifferin
angeschafft, außerdem in Gemeinschaft mit
anderen Bürgern eine Fahne, „womit die-
selbe beim Aufstiege die Allerhöchsten
Herrschaften und das versammelte Volk
aus der höheren Luft begrüßen sollte".
Die Fahne trug auf der einen Seite das
Münchener Stadtwappen, auf der anderen
Seite die Inschrift: „Die Bürger von
München an die geprüfte und muthvolle
Luftschifferin wilhelmine Reichard bey
der Luftfahrt am Oktoberfeste i§ro auf
der Theresienwiese." Der Aufstieg er-

Luftfahrt der Mme. Reichardt auf der Theresien-
wiese am Oktoberfest München 1820

folgte nachmittags um 3 Uhr 44. Schnell
erreichte die Luftschifferin eine Höhe von
fast jooo Metern, weil es damals aber
noch keine Meter gab, sagen wir richtiger
zooo Fuß. Mit sich führte die Heldin des
Tages Tausende von Flugblättern. Die
Gedichte darauf lauteten:

Herab von hohen Regionen,
wo ober mir die Sterne thronen,
Begrüße ich dich, freundlich's Land,
Geleitet von der Liebe Band
Von deines Königs weiser Hand —
wenn stürmisch auch die Lüfte wehen
Die Stürme kommen und vergehen,
was Liebe bindet, bleibt bestehen,
wird niemals, niemals untergehen!

Auf der Rückseite wandte sich die hoch
in den Lüften Schwebende an das baye-
rische Volk:

Und sink' ich aus den Lüften wieder
Auf Baierns Mutter-Erde nieder,

So find ich Menschen treu und bieder,
Im handeln kräftig und voll Mark
wie ihre Frauentürme stark: —

Denn jedem guten braven Baier
Ist Vaterland und König theuer.
Erwärmt von diesem Lebensfeuer
Laßt er nicht aus das si'ch're Steuer
Und das was seine Zunge spricht
Das muß so sein und anders nicht.

Drum soll belohnend Euch, die Sonne
freundlich scheinen,

Und brüderlich noch oft auf diesem
Platz vereinen.

Bringt, gute Baiern, recht viele Iahre
noch

Dem beßtem König Map ein herzlich
Lebehoch!

Gerade über der Volksmenge ließ die
Luftschifferin die weiße Wolke ihrer Ge-
dichte niederschweben. Durch kein Mo-
torengerausch betäubt, hörte sie den Iubel
und die Hochrufe der Menge hinauf-
dringen. Erleichtert stieg der Ballon über
die Wolken und man verwunderte sich,
mit welcher Fertigkeit wilhelmine Reichard
ihren Aerostaten dirigierte. Um halb fünf
Uhr sank der Ballon, der über München
entschwebt war, langsam im Schatten
einer Wolke herab und landete auf einer
lichten waldstelle nicht weit von Ober-
sendling. Ein Kaufmann, der eben von
einer Reise zurückkehrte, nahm die Luft-
schifferin mit ihrem Ballon in seinen
wagen aus und so traf sie bereits um
§ Uhr abends wieder in München ein, um-
braust vom Iubel der Bevölkerung, um-
rauscht von den Wellen des reichlich aus-
geschenkten Bieres.

E. R.

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Register
E. R.: Luftschiffahrt auf dem Oktoberfest 1820
[nicht signierter Beitrag]: Luftfahrt der Mme. Reichardt auf der Theresienwiese
 
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