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Jugend: Münchner illustrierte Wochenschrift für Kunst und Leben — 42.1937, (Nr. 1-52)

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Herbst Holzschnitt von Josef Lipp

denen er Eindruck machen konnte, ange-
fangen von den vernickelten Pferdegeschir-
ren bis zu den messingen Knöpfen seiner
blauen Jacke, in bellen Glanz zu setzen,
fuhr eine sogenannte Extra-Post in die
Halle ein. „Blutsakra!", fluchte der Sepp
und legte das Putzzeug beiseite. Jetzt
durfte er bloss Pech haben und dienstlich
benötigt werden!

Der postbalter warf einen forschenden
Blick in die Rutsche, in der zwei Herren
saßen. Sie waren zu einfach gekleidet, als
daß man den einen für den Kronprinzen
und den andern für seinen Adjutanten
Hatte halten können. Und doch war es so.

Der Posthalter atmete erleichtert auf,
als ihm der Postillion, der sie bis Hierher
zu fahren hatte, leise ins Ohr sagte, dass
es zwei Augsburger Raufleute waren. An-
scheinend hatten sie es sehr eilig; denn sie
stiegen nicht aus und wünschten nach dem
Pferdewechsel die Reise fortzusetzen.

Da die drei jüngeren Postkutscher alle
unterwegs waren, blieb dem alten Ster-
zinger, der wie ein Landsknecht wetterte,
nichts weiter übrig, als sich fertigzumachen
und einzuspannen. Er gedachte sich an
den Augsburger Tuchwebern in der weise
zu rachen, dass er sie bei der scharfen Rurve
einfach umwarf.

Als er noch ein Dutzend Sackermenter
zusammengeflucht hatte, schwang er sich
auf den Bock und trieb die Pferde an. In
flotten Trab ging 's zum Stadttor Hinaus.

Auf der Anhöhe sollte er Halten. Die
Herren hatten gerne den Herrlichen Rund-
blick etwas genossen. Der Postillion
wandte den Ropf zur Seite und brummte:
„Hier ist keine Haltestelle, HüH, Brauner!"
„Dann fahren sie wenigstens eine weile
im Schritt", sagte der Adjutant. „Brrr!
(öööha, Brauner!", brachte Sterzinger die
Pferde zum Stehen. Er drehte sich halb
herum und sprach gelassen: „wie gefahren
wird, schnell oder langsam, bestimmt laut
Paragraph vierzehn unserer Fahr Vor-
schrift der Postillion. Jawohl, einzig und
allein der Postillion. Und der Postillion
bin ich. Verstanden ...; HüH, Brauner."

Der Kronprinz hatte Mühe, das
Lachen zu verbeißen. „Der gefallt mir aus-
gezeichnet", sagte er leise. „Aber eine Laus
scheint ihm doch über die Leber gelaufen
zu sein."

£Tun ließ Sepp Sterzinger den Pferden
die peitsche solange um die Ohren flitzen,
bis sie zu galoppieren anfingen. Der
Kronprinz und sein Adjutant wurden um-
einandergeschüttelt wie Nüsse in einem
Sack und sie flogen hinüber und Herüber
und hopsten auf und nieder und es ver-
ging ihnen Sehen und Hören. „Lang-
samer!", riefen sie wie aus einem Munde.
„Langsamer!" Sepp Sterzinger lachte
dreckig vor sich Hin und fuhr in gestreck-
tem Galopp auf dem schlechten Landstrafi-
lein weiter.

1937 / JUGEND Nr. 41 / 12. Oktober 1937

Da erwischte ihn der Adjutant am Rock-
schoss und brüllte: „Zum Donnerwetter!
Langsam!"

„Brrr! (öööha, Brauner", hielt der
Postillion wieder. Diesmal drehte er sich
vollends herum. Sein Zorn war so ziem-
lich verraucht und er fragte in fast gemüt-
lichem Tone: „Bin gespannt, was ihr
jetzt für einen Wunsch habt;" „Einen
ruhigen Trab, bitte und ein Liedlein da-
zu", ließ sich der Kronprinz vernehmen.

„Nichts zu wollen heute", wehrte Sepp
ab.

„warum nicht;"

„weil ich nicht in Stimmung bin."

„Ausgezeichnet", meinte der Kronprinz
und schmunzelte.

„Da brauchen sie gar net so saudumm
zu lachen", sagte der Postillion. „Ihr zwei
seid nämlich schuld, daß mir heute alles
zuwider ist."

Die beiden Herren sahen einander be-
troffen an.

„Ja, ja, es ist schon so. wenn ihr nicht
gekommen wäret, hatte ich den Kron-
prinzen fahren dürfen und hatte, so gewiss
ich Sepp Sterzinger heiße und bei den
„Leibern" ohne eine Stunde Strafe ge-
dient habe, einen Dukaten als Trinkgeld
mit nach Hause gebracht. Bedenkt, was
für ein Schaden das für unsereinen ist."
„wenn sonst nichts ist", lachte der Kron-
prinz, „dann können wir schon Helsen" und
drückte ihm zwei Dukaten in die Hand.

Der alte Postillion Sepp Sterzinger
traute seinen Augen kaum und grinste vor
Freude mit dem ganzen Gesichte. Als er
sein Leiblied: „Ja, ich bin zufrieden..."
geblasen hatte, lüstete er seinen Zylinder-
hut und sprach treuherzig in die Kutsche
zurück: „Jetzt kann meinetwegen den

Kronprinzen fahren, wer will!"

Monatsbezugspreis RM. 2.40

Verantwortlich für die Schriftleitung: Fritz Maier-Hartmann, München; für Anzeigen: Karl Schilling, München, j Verlag: Karl Schilling- Verlag,
München, Kanalstraße 8, Tel. 27682 / Druck: Graph. Kunstanstalt W. Schütz, München, Herrnstr. 8—10, Tel. 20763 / Für Herausgabe und Schriftleitung in
Österreich verantwortlich: Dr. Emmerich Morawa i. Fa. Morawa & Co., Wien 1, Wollzeile 11. / Alle Rechte Vorbehalten. / Nachdruck strengstens ver-
boten. / Copyright by Karl Schilling- Verlag, München. / D.A. 1. VJ. 37: 4700. Prl. Nr. 3. / Manuskripte sind nur an die Schriftleitung der „TUGEND”,
Karl Schilling- Verlag, München, Kanalstraße 8, zu richten. / Rücksendung erfolgt nur bei beigefügtem Porto. / Postort München.
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Josef Lipp: Herbst
 
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