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ereiferte er sich — gebühre eigentlich ein
den Rünstlern untergeordneter Rang; und
es sei, sogar zu dieser kühnen Behauptung
schwang er sich aus, wertvoller, eine Diana
— das war pulcis neuestes Werk — ge-
schaffen zu haben, als Beherrscher einer
Nation zu sein. „Ich will mich wahrlich
nicht mit Ihnen vergleichen, meine Her-
ren", sagte er abschließend, „aber auch ich
fühle, daß ich einen Funken von etwas
Göttlichem in mir trage."

Maria blickte ihn an wie den Verkünder
der Wahrheit; was er da gesagt hatte,
ließ ihr keine Ruhe — unablässig wanderte
sie zwischen Atelier und Rüche hin und
her; ruhelos forschte sie in sich nach, ob
nicht auch s i e den Funken von etwas
Göttlichem Ln sich trage. „Ja", sagte sie
schließlich, „ich spüre ihn." In diesem
erleuchteten Augenblick rannte sie gegen
Angela, die alte Rochsrau, die ihr an
diesem Tage zur Hand ging — und schon
klirrte die Schüssel mit den lecker berei-
teten Schmorpflaumen Ln tausend Stücken
zu Boden, und der farbenprächtige rote
Saft ergoß sich über Marias weiße
Strümpfe. Aber dieser kleine Unglücks
fall konnte sie nicht von der Überzeugung
abbringen, daß sie eine große Entdeckung
gemacht habe, heimlich begann sie in
ihrer kleinen Rammer, jenen noch unbe-
stimmten Gebilden der Schönheit, die ihr
im Geiste vorschwebten, greifbare Gestalt

zu geben: der Ton wurde unter ihren
fänden lebendig; und in kürzester Zeit
schon blickte sie zu ihrem eigenen fassungs-
losen Staunen ein liebliches ausdrucks-
volles Gesicht aus der einst leblosen Masse
aus ihrem Fenstersims an. Ihre Angst,
man möchte sie lächerlich mache,», war nur
zu begreiflich; und so unterließ sie es,
Meister pulci in ihr Tun einzuweihen.
Freilich — ihr Geheimnis brannte so in
ihr, daß sie es nicht für sich allein hätte
behalten können, Savorini! — war ihr
erster Gedanke; aber da erinnerte sie sich,
daß er ihr doch eigentlich nur mit plumpen
Aufmerksamkeiten begegnet war, und das
schreckte sie von dem Vertrauensbeweise
zurück, den sie ihm geben wollte. Und
Laterina, die Tochter von Angela? — ach,
aber wenn die abends auf einen Schwatz
kam, redete sie doch von nichts Minderem
als immer nur von ihren Ravalieren, die
sich Ln der Rirche — ist das nun nicht
gotteslästerlich?! — nach ihr umdrehten.
Das war also auch nicht die rechte Ver-
traute. Aber der gute Doktor Lorona —
ja, der hatte sie einmal während einer
Rrankheit behandelt, und sein gütiges
Wesen hatte ihr damals schon Vertrauen
eingeflößt. Zu dem also ging sie; feierlich
mußt er ihr versprechen, kein Sterbens-
wort zu verraten; (und das klang gerade
so, als habe sie ihm einen Mord einzu
gestehen —) und dann eröffnete sie ihm,

sie fühle die Rraft in sich, eine große
Rünstlerin zu werden.

„Mein Ruhm", sagte sie, „wird die
Welt erfüllen."

„Aber — dein Herz, wird es auch erfüllt
sein?"

„Ach, Doktor, es ist schon so voll — von
Hoffnung."

Sie will sich also keinen Rat bei mir
holen, sondern sich nur Mut zusprechen
lasten, sagte sich der kluge Mann; und
also ermutigte er sie. —

Marias ganzes Sein und Streben war
von dieser Zeit an auf ihre Runst und
nichts Anderes gerichtet. Aber das war
nicht so, daß sie nun deswegen ihre häus-
lichen Pflichten vernachlässigte; nur tat
sie alles mechanisch, das war der Unter-
schied, und wäre Meister pulci ein beson-
derer Feinschmecker oder sonst sehr eigen
gewesen, so hätte er gewiß täglich Gründe
finden können, die seine Unzufriedenheit
erweckten. Aber beides traf bei ihm nicht
zu; weder er noch irgend jemand anders
ahnte, daß das Mädchen seine Schlaf-
kammer in ein Atelier verwandelt hatte,
ja, daß sie sich des Schlafes beraubte, um
die Stunden zu ersetzen, die sie am Tage
durch ihren Dienst verlor; nur Savorini
sah, daß ihre Wangen täglich blasser wur-
den und ihre Augen in unnatürlichem
Glanze brannten. „Mir scheint, ihre
Seele verzehrt ihren Rörper", sagte er zu

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Bernhard Sylvester Schmitz: Geisberg gletscher
 
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