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Diensttausch gesucht

Von Erich R e r n m a y r

ittelschullehrer in Wien, ro Dienst-
jahre, Latein und Deutsch, sucht Dienst-
tausch mit Rollegen aus der Provinz.
Nähere Auskünfte in der Schriftleitung
des Blattes."

Immer wieder überlas Professor Sepp
Raltenegger die kurze Anzeige, wahrend
ihn der Zug der großen Stadt entgegen
trug. Vielleicht war das ein Wink des
Schicksals.

Er hatte sich im Sommer so gut mit der
jungen wiener Runsthistorikerin ver-
standen. Oft und oft waren sie mitein-
ander durch malerisch alte Winkel und
Gaßchen gestrichen, hatten sich gemeinsam
an dem Schwung eines barocken Tor-
bogens, an dem zierlichen Gerank eines
schmiedeisernen Gitters gefreut. Und in
den Weihnachtsferien, als weiße Dauben

und Mützen auf den spitzgiebeligen Däusern
saßen, gab es neben schneidigen Schi-
fahrten auch geruhsam verplauderte
Stunden in dem gemütlichen Extrazimmer
des alten Gasthofes.

Ob das aber alles genug war für eine
Bindung für 's Leben- Er wußte doch
eigentlich wenig von ihr und sie von ihm.

Nachdenklich sah Professor Raltenegger
auf die vorüberfliegende Landschaft. Das
Bauernblut in seinen Adern mußte wohl
schuld an seiner bedächtigen, langsamen
Art sein, die eigentlich gar nicht recht in
die heutige Zeit paßte, die es mit dem
Finden und wieder Auseinandergehen so
leicht nahm. Sicher ahnte Brigitte, daß
er ihr gut war. Freilich, zu einer Aus-
sprache war es nie gekommen. Aber wenn
er des Abends an seinem großen Schreib-

tisch zwischen zwei großen Stößen von
heften immer wieder ihre lieben lustigen
Briefe überlas, in die. sich in der letzten
Zeit ein so warmer Ton geschlichen hatte,
dann träumte er manchmal mit offenen
Augen vor sich hin. Und dann sah er eine
junge, schlanke Frau durch 's Zimmer
gehen. Sie sang mit leiser Stimme
irgend ein altes Schlummerliedchen für
das blonde Bübchen in ihrem Arm. Und
er sah auf Beide und fühlte sich einge-
hüllt in die tiefe Ruhe des Beieinander-
seins.

Professor Raltenegger seufzte leise auf.
Ein Schatten überflog sein offenes, ge-
bräuntes Gesicht. Brigitte hing an der
großen Stadt — das hatte er mehr als
einmal aus ihren Erzählungen heraus-
gehört. Sie brauchte Anregung und Ge-

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