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Skihaserl am Lnde

Von Cläre

da ich wohlgeborgen, mit einem
dampfenden Getränk vor mir, in der
warmen Bauernstube sitze, fein mit Rie-
fern geschmückt, lache ich nur über das
Ganze, und es fällt mir nicht einmal
schwer, diese freundlichen Gesichtszüge fest-
zuhalten, was vorhin mißlungen wäre.

Es war überhaupt alles mißlungen und
ziemlich komisch. — Als wohlerzogene,
junge Dame, die sich sonst nett und frau-
lich zu benehmen hat, mühte ich mein
schneebeklebtes Gesicht in die Höhe, gerade
noch fähig ein Ach oder Goooh auszu-
stoßen, die Beine irgendwo überkreuzt in
der Luft, was alles zusammen sehr wenig
damenhaft aussah.

Mein Begleiter fuhr einen eleganten
Bogen um mich Kerum und lächelte. Er
lächelte! YPie mich der Anblick wieder in
die *£obc riß! Sonst war ich ihm fast in
allem überlegen gewesen, was ich ihn zwar
wenig merken ließ, und nun lag ich alle
paar Minuten hilflos zu seinen Füßen,
denn ich konnte einfach nicht stoppen. Ich
stand ja auch zum ersten Mal aus Bret-
tern, und allen Fachausdrücken lauschte ich
halb neugierig, halb dumm erstaunt ent-
gegen. Für meine Nase stank Skiwachs
noch erbärmlich. — Rauten!, hatte er mir
zugerufen, und ich wußte nicht einmal,
was das ist.

Ich war wohl schon oft in SchneeKü-
geln und auch Bergen spazieren gegangen
und hatte mit immer riesig gefreut an den
mehr oder weniger fallenden Gängen, die
im Frühjahr so liebliche Blumen tragen
konnten; aber daß solch ein harmloser
Hang so tückisch werden kann! haut mich
hin, mitten in vollster Fahrt! Schuß, nennt
man es. Ich bin lernbegierig. Also, Schuß!

Es wird schon bald Frühling und der
Schnee ist firnig, so daß die Rörnchen
scharf in die Poren eindringen und
damisch beißen. Mein erst so großer Jubel,
der dem Landschaftsbild des Hochgebirges
galt, verflog langsam. Ich darf mich
auch kaum umschaun, denn man fährt
einfach von allein ab, d. h. vielmehr die
Bretter; und da ist schon wieder eine
tiefe Mulde.

„In die Rniee!", ries mein Begleiter,
der schon unten sauste. So schnell konnte
ich mich nicht mehr besinnen, wo meine
Rniee jetzt waren und knallte auf die ver-
längerte Fortsetzung meines Rückgrates, daß
ich die Engel im Fimmel singen hörte, wie
aber auch die Erdoberfläche so gespalten
sein kann! wenn ich der liebe Gott ge-
wesen wäre, hätte ich bestimmt bei der
Schöpfung meiner beginnenden Skihasen
gedacht und alles schön eben, höchstens
mal sanft gehügelt, angelegt. Aber nun
muß ich mich auch so drein finden und
ich lerne mein Schicksal lieben.

Denn ich bin auch stolz und will meinem
Begleiter zeigen, daß es gar nicht so

Das Skihaserl

schlimm ist. Aufwärts ging es auch fein.
Ich trug die Skier auf der Schulter über
dem leichten Seidenhemd, und sie kneiften
bestialisch. Aber ich bezwang mich und sie
auch. Das Schrecklichste aber war, sie
ließen sich einfach nicht lenken, sondern
fuhren eben dahinaus, wo sie wollten, und
wo ich natürlich nicht hinwollte.

Mein Begleiter war jetzt in unsichere
Ferne vorangesaust, und, zum Teufel!
Vor mir lag der See! Irgend einer von
den vielen, die ich sonst so liebe, und der
mir jetzt so ungelegen kam wie nur
möglich. Ich war im Schuß. An Stoppen
bei meiner Fähigkeit, oder vielmehr
Nichtfähigkeit, nicht zu denken! Ach so!
Zur Seite werfen!, fiel mir erst nachher
ein! Mein Schal flattert unendlich kühn
bei der Abfahrt und ahnt bei weitem
nicht, welch erbärmlicher Rest von Mut
in meinem Kerzen fristet.

Aber da ist ein Grasfleck! Ja, so weit
ist der Schnee schon weg! Lieber Gras-
fleck! An einem Arm reiße ich mir die
Kalbe *3<uit am nebenstehenden- Baum
herunter und bin gerettet: Das linke Bein
ist zwar mit Schwung ins Wasser ge-
schliddert:

Mein Begleiter ist so weit fort, daß
ich nicht erkennen kann, ob er die Gestalt
ist, die ich da drüben so herzhaft lachen
höre. Ich weiß nur, er trug Helle Jacke,
dunkle Hose. Gder ist es umgekehrt;

dunkle Jacke, Helle Hose- So weit bin ich
also schon!

Aber dann kommt er und verbindet mir
liebevoll, rauh den Arm und ist schrecklich
männlich gegen sonst.

Nun habe ich wieder festen Boden unter
den Füßen, und es ist wirklich ehrlich von
mir, wenn ich behaupte, daß es wunderbar
war!

Der Schnee schimmert abendlich, bläu-
lich, und die hohen weißen Berge mit den
schwarzen Tannen sehen so lieblich und
einladend aus. Ich bin versöhnt, finde
die dudelige Bergmusik urgemütlich und
laste vor allem die anderen Sportler nicht
merken, welch' tolle Abfahrt ich hinter
mir habe. Mein Begleiter schweigt auch
galant und lächelt vielsagend.

Ich bedaure, daß die schöne Zeit dem
Ende zugeht. Schließlich wird es ja auch
bester gehen, wenn die ersten Rlippen an
mir abgeschliffen sind, und meine körper-
lichen Ecken so schön rund und glatt-
poliert werden; daß mich nicht jeder
Stemmbogen hinKaut.

Mein Rörper fühlt sich angenehm ge-
rädert an, mein Hosenboden ist triefend
naß. — Aber bis zum nächsten Neuschnee
sind Muskelkater und Näste überwunden,
hoffentlich dauert es nicht so lange! Ich
habe mir zum nächsten Mal auch unbe-
dingt kühnen Mut vorgenommen:

Also, frohes Ski-Heil!!!

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Julius Macon: Das Skihaserl
Cläre: Skihaserl am Ende
 
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