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MORGENMOND

EIN MÜNCHENER KÜNSTLER-R

23 i s h e l i ge r 3 11 b a f * : Barbara Bürkner, Studentin der Philo-
logie, fährt der Stadt ihrer Studien und ihrer Sehnsucht, München,
entgegen. Dort hat sie bald Freundschaft geschlossen niit den, Bildhauer
Florian Seidl, einem Kunstfanatiker, der dein Glaspalasttreiben des

Wahres 1927 recht unfreundlich gegenübersteht, ülach einem Konzert-
besuch begleitet er Barbara nach Hause und verabschiedet sich vor

ihrer Sure.

.5. Fortsetzung.

Sie war noch nicht zum Leben erwacht. Er würde sie wecken, er,
der erste Mann, der in ihrem Leben eine Rolle spielte. Desto sicherer
würde es sein, daß sie seine Liebe erwiderte. Aber sie ließ auf sich
warten. Und betteln war nicht seine Art.

Da meldete sich zu seiner Überraschung eine andere Stimme in

ihm, die seine Gedanken durchkreuzte und Dinge, die ihn eben noch
sehr einfach dünkten, viel schwieriger gestaltete: Florian fühlte, auch
er liebte; aber es war nicht wie sonst. WaS waren die andern, die ihm
gehört batten, gegen Barbara!

Oben im Zimmer ging das Licht aus. In der Stille der Nacht
verhallten Florians Schritte über den Platz.

Gott und Liebe und Unendlichkeit!

Zum ersten Mal in seinem arbeitsharten Leben, das ihn nüchtern
und rücksichtslos gemacht hatte, empfand er durch die Heiligkeit der
Liebe eine Verehrung für ein Mädchen, wie er sie bisher nur seiner
Mutter entgegengebracht hatte. Wenn er Barbara zum Leben und
zur Liebe erweckte, würde er Verpflichtungen ihr gegenüber fühlen.
Das war ein neuer Fall in seinem Leben. Es war keine Liebelei.
Mußte er diesmal nicht Opfer und Rücksichtnahme bewußt dem
Verlangen der Sinne entgegenstellen?

Spät gelangte er daheim an. Als er die Haustür aufschloß, wollte
wieder die ganze Verzweiflung ob der heutigen Niederlage über ihn
kommen. Aber merkwürdigerweise hielt das nicht lange an. Das
Bewußtsein, daß er ein Mädchen liebte, das einer stolzen und starken
Liebe würdig war, richtete ihn auf. Außerdem glaubte er an eine
Wende in Deutschland. Und mit ihm schon viele, Und Barbara
glaubte an ihn. Hatte sie das nicht beute gesagt? Er batte darüber
gelächelt. Aber war der Glaube nicht alles?

I I 0 1 z s c li 11 i 11 B o 11

OMAN VON JOHANNA BIRNBAUM

Ihm war zumute, als hätte er heimgefunden zu dem starken Ver-
trauen seiner Kindheit. Auch im Lichte des Tages verblaßten die
Eindrücke der geheimnisvollen Nachtwanderung nicht. Sein Leben
hatte wieder Wert. Er glaubte an einen Sinn des Daseins. In
steiler Kurve stieg in diesen Wochen sein Können empor.

Es war Sonntag. Zwei Uhr nachmittags. In der Halle des
Starnberger Bahnhofs wartete Florian, den Eingang im Auge be-
haltend, in dem immer neue Gestalten auftauchten.

Da war Barbara!

Im weißen Leinenkleid, einen kleinen weißen Leinenhut auf den
braunen Locken, über dem Arm eine marineblaue Sportjacke. Für
Florians Geschmack war sie viel zu einfach angezogen. Er hatte
Gefallen am Schönen, Strahlenden! Das war er gewöhnt. Die
Münchnerin ist fesch, farbenfreudig, lockt mit rotgemalten Lippen und
dem Duft schwerer Parfüme. Barbara ging einfach daher. -
„Irgendwelche Mittel, mich zu erobern, hat sie ja schließlich auch nicht
nötig. Bis zu welchem Grade bin ich diesen Augen, dieser Stimme
schon verfallen!" gestand er sich ein, als er sie freudig begrüßte.

Barbara merkte, daß er gezweifelt hatte, ob sie der Verabredung
Nachkommen würde. „Er nimmt mich wie ein Geschenk", ging 's ihr
durch den Sinn, als sie im Zuge einander gegenüber saßen.

In Tutzing stiegen sie aus. Es war ein warmer, strahlender
Sommertag. Florian wußte ein Kaffee am Strand, wo eine
Madonna mit einem Strahlenkränzel steht.

„Aber vorher wollen wir noch einen Ausblick über den See haben",
schlug er vor, und sie schritten über blumige Wiesen eine Anhöhe
hinauf.

Lieblich grüßte das Ufer von der anderen Seite. Unter ihnen
breitete sich der See in warmem Blau. In der Ferne, schimmerte die
Roseninsel.

„Deine Heimat ist schön, Florian!" Barbaras Augen glänzten,
und in ihrer Stimme lag ein herzlicher Ton. „Es ist der schönste
Sommer, den ich je erlebt habe", fügte sie nach einer Weile hinzu
und schaute, an einen Baumstamm gelehnt, versonnen in die Weite.

„Für mich auch", Florians Stimme klang verändert, gleichsam
bedrückt und schwer, so daß sich Barbara fast erschrocken nach ihm
umwandte. Seltsam verwandelt war sein Gesicht: Verlangen, Härte,
Sehnsucht und Trotz rangen miteinander. Sekundenlang setzte ihr
Herzschlag aus. Sie schloß die Augen. Da riß Florian sie in seine
Arme, küßte sie in wilder Leidenschaft und gab ihr tausend zärtliche
Worte.

Als sie ihn ansab, waren ihre Augen voll Tränen.

„Ich wußte, daß du weinen würdest", stieß er raub und anklagend
hervor und wich zurück. „Und warum mußt du weiney, Kind? Ich,
nur ich bin schuld daran. — Du hast kein Vertrauen zu mir, nicht
wahr? Und du hast recht. Ich hätte dir meine Liebe nicht zeigen
dürfen! Denn ich kann mich nicht binden. Schau, Bärbel, wenn ich
dich neben mir habe, ist mir, als müßte ich dich bitten, meine Frau
zu werden, auf mich zu warten, bis wir mal heiraten können. Aber
darf ich das? Da sind die Eltern, die Schwestern, für die ich sorgen
muß, da ist mein aussichtsloser Beruf, an dem ich hänge. — Schau,
Kind, ich Hab ja nichts! Und ob ich dir je eine gesicherte Zukunft
werde bieten können —."

„Aber Florian, lasten wir das doch!" Barbara lächelte schon wie-
der unter Tränen. „Ich habe doch erst mit meinem Studium ange-
fangen. Wer wird denn schon ans Heiraten denken!"

„Warum weinst du denn da, Kind?" Hinter dem schroffen Ton
verbarg sich die Angst, er könnte weich und nachgiebig werden

„Und wenn ich dich wieder verliere?", fragte sie voll Sorge und
Ungewißheit.

„Es ist ein Unglück für dich, daß wir einander im Leben begegnet
sind, Barbara. Ich werde dir nur Kummer bringen."

60
Register
Bold (Bolt): Holzschnitt
Johanna Birnbaum: Morgenmond
 
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