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Hinterwimmers 8aschingsirrtum

„vra sowas!" sagte Frau Hinterwimmer
aus dem Stiegenhaus zu ihrer Nachbarin,
„diese Mannsbuider brauch« ft nix ei'buidn
aus eahna Spatzenhirn und wann s' no a
so tean — wann ma bedenkt an was mir
Frauen alias denka müassn!"

Dabei rollte sie die Augapfel nach oben
als erwarte sie jeden Augenblick eine La-
wine der Verantwortung für alles Gegen-
wärtige und Zukünftige auf sich hernieder-
gehen. Und dann kam jene Begebenheit
zur Sprache, die ihr die langst feststehende
Catsache, daß die Männer allesamt ein
Spatzenhirn haben, erneut bekräftigte.

Herr Hinterwimmer ist als Bomben-
bastist eine der tragenden Säulen seines
Gesangvereins, wenn er einsetzt, zittern
die Scheiben und vorbeigehende Glaser-
meister wünschen, es möge mehr solcher
Bastisten auf der Welt geben. Schon vor
ein paar Wochen hat die Sängerrunde
auch Heuer wieder die altherkömmliche
Faschingsgaudi beschlossen und den Tag
dafür benannt. Dann war man wieder in
die Tonleitern gestiegen: „Leises, lindes
Frühlingslüftchen — —"

Mochte es draußen bitterkalt sein und
die Flocken stauben, da drinnen saß ein
Häuflein Männer und schmolz in lyrischen
Roloraturen allen wintergrimm hinweg.
„Leises lindes Frühlingslüftchen —". Der
Dirigent klopfte ab und schaute suchend
auf seine Sänger. „Ist der Hinterwimmer
nicht da;"

Vltin, Hinterwimmer war nicht da.
„Hm, schade", meinte er, „beim Finale
bringen wir das Fortissimo nicht recht
'raus ohne dem Hinterwimmer seinen
Bärenbaß."

Dafür aber waren sie in den ganz lyrischen

Sätzen umso starker. ,,-erstes, liebes

Veilchendüftchen — —".

Da ging die Türe auf; Hinterwimmer
Kalb Cowboy, halb Abruzzenräuber stand
auf der Schwelle. Hinter ihm drängte seine
Frau — jeder Zoll eine Anne Boleyn —
nach. Faschingsboten im Liederreich leiser,
linder Frühlingslüftchen.

Den Zweien erstarb das Lachen auf den
Gesichtern. Hinterwimmers Stirne um-
wölkte sich zusehends. „Soll dös vielleicht
die heutige Faschingsunterhaltung fei’;"
grollte er.

Die anderen aber waren rascher von den
Frühlingswölkchen herabgesegelt, sie starr-
ten bloß einen Augenblick lang auf ihren
verwandelten Sangesfreund, dann prasselte
eine Lachkanonade nieder, daß die Schei-
ben zitterten wie es fünf Hinterwimmer
nicht besser vermocht hätten.

„Ja, Freund, du bist ja um acht Tag
z'früah dran!" —

Und da soll eine Frau noch zweifeln, daß
die Männer ein Spatzenhirn haben;

K. Spengler

Selbstbildnis C. O. M ü 11 e r

Münchner Faschmgshimmel

Der Eli ring bleibt im Vestibül
Der Ober fragt: Ein Separe?

Es knallt der Sekt, man wird fidul,
die Seele sitjt im Keglige.

Doch wen der faule Haber sticht,
ergrimmt zu diesem Bilde spricht:
Wo bleibt in München die Moral
bei diesem Himmels-Sündenfall!?!

Ramelhaarstrümpfe

Es trug sich vor wenigen Tagen in der
Straßenbahn zu. kleben mir saß eine gut-
gekleidete Dame von etwa Vierzig. Mir
gegenüber die Gattin eines bekannten
Rünstlers mit ihren Rindern, einem vier-
jährigen Mäderl und einem siebenjährigen
Buben.

Unablässig plapperten die Rleinen und
bestürmten „Mutti" ständig mit Fragen.
Da blieb der Blick der Vierjährigen plötz-
lich an meiner Nachbarin haften und glitt
sichtbar von unten nach oben und umge-
kehrt. Eine weile starrte die Rleine
sprachlos, dann rief sie mit ganz lauter
Stimme:

„Sieh mal, Mutti, was die Dame für
komische Strümpfe Kat!"

Dabei wies ihr kleiner Finger auf die
Leine meiner Nachbarin. Natürlich blick-
ten wir alle wie auf Rommando dorthin.

Nun, die Überraschung der Rleinen war
vielleicht nicht ganz unbegründet. Besagte
Dame trug wunderbar hauchdünne Sei-
denstrümpfe in modernster Farbe, „Rokos-
braun". weniger modern aber muteten
die dichten Haare an, die die Beine un-
seres bedauernswerten Schauobjekts be-
deckten, überall die Strümpfe durchbohrt
hatten und so den durchaus schlanken und
wohlgeformtenLeinen das Aussehen eines
Hundefells verliehen.

wir unbeteiligten Fahrgäste schmunzel-
ten nach dieser Feststellung grausam. Die
Mutter der Rleinen aber kämpfte sichtlich
mit großer Verlegenheit. Eben wollte sie
den Mund zum Sprechen öffnen, als ihr
Bub, der natürlich ebenso interessiert wie
wir — bloß mit mehr ernster Sachlichkeit
des Rindes — die Beine beschaut hatte,
mit triumphierender Stimme rief:

„Aber Inge, das weißt du nicht; Das
sind doch Ramelhaarstrümpfe!"

Den Bruchteil eines Augenblicks schien
es totenstill im wagen, dann aber brüllten
wir vor Lachen. Die kamelhaarbestrumpfte
Dame stieg an der nächsten Haltestelle aus.

Alf. Mesi rek

Streiter für Lisa

Der Direktor eines kleinen Provinz-
theaters in Süddeutschland wollte seinem
Publikum eine besondere Sensation bieten;
er verpflichtete einen bekannten Tenor in
der Gper „Lohengrin" zu gastieren. Um
die Vorstellung glanzvoll und reich zu ge-
stalten verwendete der Direktor auch die
Mitglieder eines Sportvereines als Sta-
tisten; die konnten aber infolge Zeitmangels
an einer Probe nicht mehr teilnehmen.

Die Aufführung begann, der Heerrufer
schmetterte: „wer hier zu streiten kam,
für Elsa von Brabant, der trete vor!''

Die eifrigen Statisten, an Rampf ge-
wöhnt, ließen sich das nicht zweimal sagen
und traten zum Entsetzen des Direktors,
Mann für Mann vor, — Lohengrin jo
seiner Ausgabe vorzeitig entledigend ...

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Register
Max Mayrshofer: Vignette
Carl Otto Müller (Müller-Coburg): Selbstbildnis
Karl Spengler: Hinterwimmers Faschingsirrtum
[nicht signierter Beitrag]: Münchner Faschingshimmel
A. Mesirek: Kamelhaarstrümpfe
[nicht signierter Beitrag]: Streiter für Elsa
 
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