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Der gefährliche Maibock

Zwei Münchner sitzen beim Bockbier.

„Zechen gibt's, Sachen", schüttelte der
eine den Kopf, „da habe ich heute ge-
lesen, daß die Wissenschaft eine Ent-
deckung g'macht hat, die unsern Glauben
vom Wasser vollständig erschüttert."

„Da brauchts bei mir koa Wissenschaft,
lieber Herr, vom Wasser hab7 i nie viel
g'halten."

„Man hat eine zweite Art von Wasser im
Wasser entdeckt, das doppelt so schwer
ist wie das normale. Stellen S' Ihnen nur
einmal so was vor."

„Na, so damisch bin i net. I soll mir
beim Bockbier a Wasser vorstell'n, i bin
ja net bsuffa."

„Dabei soll's noch mehrere Sorten von
dem schwereren Wasser geben."

„Hör'n S7 auf, hör'n S' auf, mir lauft's
schon naß übern Buckel, erzähl'n S7 das
an Fisch."

„Hörn'n S' nur zu. Das schwere Wasser
unterscheidet sich vom andern durchaus
nicht, aber es ist von einer höchst giftigen
Wirkung."

„Jassas na, gifti is a noch, heiliger
Neptun! I sag's ja, die Wissenschaft macht
uns nur unglücklich. Wann das auf Wahr-
heit beruht..."

„Schwarz auf weiß hab' ich's gelesen."

„Schrecklich, schrecklich! Halt! Aber
dann könnt7 i mir vielleicht auch mein
gestrigen Zustand erklären. Indem i näm-
lich gestern unter ganz merkwürdigen
Vergiftungserscheinungen erkrankt bin.
Wissen S7, da hab i vom Maibock a paar
Maß trunken, ganz schön stad eine nach
der andern, denn so an süffigen Stoff muß
man mit Andacht trinken. Dann bin i heim-
gangen, g'sund und fidel, aber auf einmal
draht's mi und haut's mi hin, daß i glaub7,
i dersteh7s nimmer auf. Wie i heimkomm7,
schreit mei Alte gleich: ,Xaver, wie schaust
denn du aus, hat di der Bock g7stößen?7
Eh i noch a Wort7! sagen hab7 können,
draht7s mi wieder und haut7s mi hin, daß
d7 Bettstatt unter mir z7sammenkracht. Lang
hab7 i mi net derfangen können, so wirb-
lich bin i g7wesen im Kopf. I hab7 mi
selber nimmer kennt. Vielleicht, vielleicht,
Herr Nachbar, is in dem Bock a Spritzer
von so an giftigen Wasser 'neinkommen?77

„Vorderhand hat die Wissenschaft das
alles nur physikalisch festgestellt."

„Hör'n S7 mir auf mit der Wissenschaft,
i laß auf jeden Fall mein Maßkrug in
keinem Wasser mehr ausschwänzen."

Heinz S c h a r p f

Fensterin . . .

Es war abends im großen Saal eines
oberbayerischen Gebirgsortes. Einhei-
mische sangen, spielten Zither und schuh-
plattelten für die vielen Fremden.

Am Tisch neben mir saß ein sauberer
Bursch vom Ort und ein noch saubereres
Mädel, eine Fremde aus Norddeutschland.
Sie waren allem Anschein nach recht ver-
liebt ineinander, denn sie nahmen sich oft


Regen . . .

Von Hermann Hesse

Auf Dach und Simsen überall
Der stetig leise Tropfenfall
Und weit hinein ins dunkle Land
Sanft wie ein Schleier ausgespannt,

Der sich im Winde senkt und hebt
Und gläsern ist und dennoch lebt.

Der Acker, der die Wolke zieht,

Die Höhe, die zur Erde strebt,

Das wogt und rinnt und klagt und bebt
In diesem stetig leisen Lied,

So wie ein tiefer Gegenklang
Geheimer Sehnsucht dunkeln Drang
Auf seinem Flügel weiterträgt
Und da und dort ein Herz bewegt,

Das nach dem selben fernen Land
Sich sehnend keine Worte fand.

Und was nicht Wort, nicht Geige sagt,
Wird Ton und schwillt zu stiller Macht
Im stetig leisen Wiegetakt
Der windbewegten Regennacht;

Die nimmt was klaglos rang und litt,

In ihre dunklen Lieder mit.

an den Händen und sahen sich häufig in
die Augen. Während es einmal bei einer
Vorführung auf der Bühne ziemlich laut
zuging, hörte ich folgendes erbauliche
Gespräch zwischen den beiden mit an:

„Also, Loisl, du kommst doch heute noch
bestimmt?" — „Freili, freili", grinst der
Bub über das ganze Gesicht und drückt
ihre Hand.

„Aber du mußt durch das Fenster kom-
men!"

„Muaß des sein?" fragt er, nun schon
etwas weniger freudig.

„Natürlich! Ich will es ganz echt haben."
Es klingt recht bestimmt. „Da, aber da
konn mi doch dei7 Muatter hör'n", wendet
der Bursch ein.

„Die schläft auf der andern Seite, die
kann dich sicher nicht hören."

Der Bub schweigt, er sucht scheinbar
nach einem andern Ausweg. Da schaut
ihn das Mädel ernst an und sagt fast be-
leidigt: „Willst du denn nicht zu mir kom-
men, Loisl?"

„Freili will i und wia i will, aber schaug,
beim Fensterin geht halt so vui Kraft ver-
lor'n"...

Jetzt hat er das Richtige getroffen. Be-
dauernd sagt das Mädel: „Ooch!" Es liegt
viel Enttäuschung in dem Ausruf. Dann
überlegt es einen Augenblick und fügt
entschlossen hinzu: „Nein, das soll natür-
lich nicht sein, dann lieber so."

Und die Musikanten spielten gerade
einen Tusch....

Die wilden Völker Niederbayerns ..

Ich hatte den Film „Das indische Grab-
mal" in einem kleinen Vorstadtkino Mün-
chens besucht und befand mich auf dem
Heimweg. Vor mir ging ein junger Mann
mit seinem Mädchen und ich konnte ihrem
ziemlich laut geführten Gespräch entneh-
men, daß er ihr, die anscheinend dem Ver-
lauf des Stückes nicht ganz hatte folgen
können, gerade den verräterischen Über-
fall der Bergvölker auf den Maharadscha
plausibel zu machen versuchte. Ich hörte
dabei folgende erbauliche Erklärung:

„Woaßt, des is a so, de wuidn Berg-
stämme, de waren unter der Herrschaft
von dem Maharadscha, aber des hat eahna
nimmer paßt und da sans7 einfach heim-
lich Ln die Hauptstadt g'ritten, wo der resi-
diert hat, und wollten 7n überrumpeln.
Des mit dene wuiden Bergvölker muaßt
dir genau a so vorstellen, als wenn zum
Beischpui auf oamal de Niederbayern auf-
sässig werden, sich zammatoan und nach
Minka 'raufziagn...." — Den weiteren

interessanten Vergleichen zwischen den
wilden Bergvölkern Indiens und den Nie-
derbayern konnte ich leider nicht mehr
folgen, da die beiden nunmehr ein Haus
betraten... bu

Die Wahrheit . . .

Der Schorsch hatte einen angefahren. Er
stand wegen fahrlässiger Körperverletzung
vor den Schranken. Der Staatsanwalt be-
antragte für den Kraftfahrer eine mehr-
monatige Freiheitsstrafe, der Anwalt plä-
dierte für eine Geldstrafe. Da erhebt sich
im Zuhörerraum ein erregtes, deutlich ver-
nehmbares Murmeln, das dem empörten
Munde der Gattin des Angefahrenen ent-
flieht, des Sinnes, daß es noch schöner
wäre, wenn man für lumpige 200 Mark
ihren Mann anfahren könne.

Das Auge des Gesetzes, in Gestalt des
Justizwachtmeisters, wirft einen ungnädi-
gen Blick auf die Murmelnde und zischt
sie an: „Sind Sie ruhig hier!" Die Gattin
aber repliziert: „Die Wahrheit wird man
doch noch sagen dürfen!" Darauf spricht
der Wachtmeister mit strenger Miene ab-
schließend: „Aber nicht hier!"... br

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Register
Carl Otto Müller (Müller-Coburg): Bildreproduktion ohne Bezeichnung
[nicht signierter Beitrag]: Die Wahrheit
[nicht signierter Beitrag]: Die wilden Völker Niederbayerns
[nicht signierter Beitrag]: Fensterln
Hermann Hesse: Regen
Heinz Scharpf: Der gefährliche Maibock
 
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