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DRITTES KAPITEL.

VERSUCH EINER DEUTUNG DER EINZELNEN FIGUREN.

Jonas.

Der vornehmste Platz unter den Propheten, an der Westwand, über
dem Altar, ist Jonas gegeben, als sei er Chorführer der Schar. Denn
er war nicht nur der Zeit nach der älteste: er war, er allein, Pro-
phet nicht blos kraft Mission und Predigt — die er nicht aufgezeichnet
hat — sondern durch Person und Schicksale. Daher fehlt ihm allein
Buch und Rolle. Das Buch Jona ist die Erzählung seiner Geschichte,
in deren Mitte das Bild versetzt. Als Symbol von Christi Tod und
Auferstehung war er durch dessen eignes Wort beglaubigt. Der c bösen
Art5, den ungläubigen Juden, die Zeichen verlangen, soll kein anderes
Zeichen gegeben werden als das des Propheten Jonas (Matth. 16, 4,
Lucas 11, 2gf.). Daher stand er obenan unter den Propheten, die in
dem altchristlichen Bilderkreiß der Cömeterien Aufnahme fanden; hier
auch als Symbol der Hoffnung des ewigen Lebens. In dieser Figur
bewahrt also das spätgeborene Werk einer sich bereits entkirchlichenden
Kunst noch den Zusammenhang mit ihren Uranfängen. Aber Hiero-
nymus hatte in Jonas Sendung an die Weltstadt Ninive auch einen
Typus der Sendung der Apostel in alle Welt gesehen. Man hat seine
Geschichte neuerdings erklärt als Sinnbild des Volks Israel, seiner
Mission an die Nationen, deren Verleugnung, seiner Verschlingung
durch das chaldäische Weltreich und Wiederherstellung (Kleinert). Wie
konnte es da eine passendere Introitus-Figur für die Hauskapelle des
Oberhauptes der römischen Kirche geben. Rom, einst das Babylon
der urchristlichen Apokalypse (1. Petri 5, 13), nun längst der Sitz des
Monarchen dieser damals von ihm verfolgten Gemeinde, war dieß päpst-
liche Rom nicht die Erfüllung der prophetischen Sage vom bekehrten
Ninive, dieser seltsam frühen Ahnung einstiger Aufnahme der Völker in
den Gottesstaat?
 
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