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DIE TRAGÖDIE DES GRABMALS.

in achtmonatlichem Feldzug, sein Land wiedergewonnen; aber, durch
Verrat unterliegend, zum zweitenmale weichen müssen. Der neue Herzog
starb am 4. Mai 1519; darauf hatte Leo das Herzogtum samt Pesaro
und Sinigaglia dem Kirchenstaate einverleibt. Nun da er selbst durch
unheimlichen Tod weggerafft worden war, setzte sich Francesco Maria
von Ferrara aus in kurzer Zeit wieder in Besitz seines Landes. Und
als Hadrian VT mit den Kardinälen die ihn in Livorno empfangen, sich
Rom näherte (29. August 1522), begrüßt er ihn als huldigender Vasall
bei Ponte Milvio; wird in Gnaden angenommen und erhält die In-
vestitur von Urbino nebst der Präfectur der Stadt Rom, die er schon
unter Julius II besessen.

In welch seltsamer Lage befand sich nun Michelangelo. Der wieder-
eingesetzte Herzog fand bald Zeit, sich über das Denkmal seines Oheims
berichten zu lassen, für das sogar noch in den Jahren seiner Ver-
stoßung die Gelder gezahlt waren (bis 1518); ohne dass aber bis jetzt
über den Stand der Arbeit irgend bestirntes sich hätte ermitteln lassen.
-^Der Künstler hatte inzwischen im Dienst seines Verfolgers gearbeitet;

aber auch nachdem Leo X den Bau der Fassade sistiert, und als
I er nach dessen Tode wieder Herr seiner Zeit schien, war nichts von
] fertigen Statuen gehört worden. Eben jetzt aber war er im Begriff den
| Meißel der Glorification desselben Lorenzo zu widmen, der der Fluch
£, seines Lebens gewesen war.

Der Herzog, durch und durch Soldat und von impulsivem Tempera-
ment, soll kein besonderes Interesse für das Monument gezeigt haben.
Da die Verhandlungen zu keinem Resultat geführt, beschloss man die
versumpfte Angelegenheit durch einen scharfen rechtlichen Eingriff zu
erledigen. Der Zeitpunkt war günstig.

Dem alten Holländer, den manche für den einzigen ehrlichen, um nicht
zu sagen anständigen Mann der dortigen Gesellschaft halten wollen, und den
diese auch schnell zu Tode geärgert hat, ihm waren die welschen Meister
gleichgültig; welchen Eindruck die sistinische Kapelle auf ihn gemacht, ist
schon berichtet worden; die Thüren des Belvedere ließ er vermauern bis
auf eine, deren Schlüssel er behielt. Die Gruppe des Pasquin, der ihn
freilich wenig schonte, befahl er in den Tiber zu werfen, und als man ihm
versicherte, er werde auch da wie die Frösche nicht verstummen, wollte er
I ihn zu Kalk verbrennen lassen. Nun setzten ihn die Oratori, Gio. Maria
della Porta aus Modena und Girolamo Staccoli vom Stand der Sache in
Kenntnis, nebst Präsentierung eines Motu proprio zur Unterzeichnung.
 
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