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IN GRANADA

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fortwährend versagendem Geldzufluß jenes verzweifelte Tempo an, das
die nationale Verbindung zäher Beharrlichkeit mit fatalistischem Phlegma
zu ergeben pflegt. Der Morisken - Aufstand (1568) brachte eine Unter-
brechung von fünfzehn Jahren, aber noch bis 1644 ist fortgearbeitet
worden, da endlich kam der tödliche Stillstand, wie ein Fluß des Atlas im
Sande der Sahara versiegt.

Das thörichte dabei ist, daß die Hauptsache doch gethan war, und
nur gerade das' unterblieb, von dem die Erhaltung und Benutzung des
Gebäudes abhing: die Bedachung und das Zimmerwerk.

Seitdem steht der italienisch heitere Palast da im zerrissenen Trauer-
mantel des Verfalls; wie ein exotischer Baum, der in feindseligem Klima
in der Krone abstirbt. Wenn er dennoch in den Wintern dieser Jahr-
hunderte nicht zur Ruine geworden, wenn im Ring des Patio noch kein
Weichen zu entdecken ist, so verdankt er es der Trefflichkeit der Con-
struction und der conservativen Atmosphäre.

Der kaiserliche Gründer hat seine Schöpfung nie gesehen, nie wieder
ist er nach Granada zurückgekommen. Die gehofften Pausen der Erholung
angesichts der üppigen Ebene und der erhabenen Gebirgswelt der Sierra
Nevada, inmitten des phantastischen Zaubers fremder Vergangenheit, belebt
durch »Ritterspiel und frohe Tafel«, sie sind ein Traum geblieben. Und
als er, durch Alter, Mißerfolge und körperliches Leiden verstimmt, sich
noch einen Abend der Ruhe erzwingen wollte, hat er ihn in einem ganz
anderen spanischen Hause gesucht. Dort mögen ihm Gedanken an diesen
Palast seiner Jugend wohl einmal heimgesucht haben, wenn er in den
schweigsamen Hallen des Klosters von S. Jeronimo den Text des Propheten
verlesen hörte, von «Königen, die Trümmer bauen«.
 
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