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DAS EXDE EINES ALTEN' STADTTHORES

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Arbeiten verbrauchen. Zeugen schildern die freudestrahlenden Gesichter
derer, die solcher Hinrichtung assistirten. Es sollen sogar Raketen abge-
brannt worden sein. Es fehlte nur noch, daß man ein Denkmal auf dem
Platz stiftete, wozu man die Bildsäule einer mit solchen noch wenig be-
dachten Güttin hätte vorschlagen dürfen, mit der zuweilen Götter selbst —
und Minister — vergebens kämpfen sollen.

Die Erklärung dieser Art von modernem Fanatismus ist nicht so
einfach. Man kann nicht sagen, daß es Unwissenheit sei, oder eine Wand-
lung des Geschmacks, wie in der Barockzeit die alten Werke dem Mode-
stil zum Opfer fielen. Die damalige Bau- und Zierkunst wurzelte ja in
historischen Studien. Kunstgewerbliche Sammlungen wurden von spa-
nischen Städten (z. B. Toledo) errichtet, und man liebte es, sich im eignen
Hause mit echten Bruchstücken alten Hausrates, oft ebenso unzweck-
mäßig wie geschmacklos, zu umgeben. Wie mag es also zugehen, daß
auch der humane Fortschrittsphilister (der selbst in Spanien z. B. auch
den Raubmörder durch verständige Vorstellungen und gute Verpflegung
zum besseren Menschen umzuwandeln wünscht), gegen alte Alauern mit
einer solchen Janitscharenmusik von Haß, Arglist, thoreinrennender Ver-
stocktheit, Ungehorsam gegen die Behörde, Zerstörungslust und unfeiner
Scherzhaftisjkeit zu Felde zieht? Es liegt hier wohl eine ähnliche Ver-
irrung des Gefühls zu Grunde, wie bei dem Bauer, der seiner altväter-
lichen Trachten sich schämt. Der heutige Spanier betrachtet Paris als
sein Mekka; er träumt davon, in seiner Stadt etwas wie einen Boulevard
aufsteigen zu sehen, und mit Verdruß geht er an den alten Mauern vorbei,
die der Fremde als Trost in der Eangeweile dieser Städtebilder begrül.it.
 
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