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Karl und Faber Kunst- und Literaturantiquariat [Editor]
Katalog / Karl & Faber, München (Nr. 35): Bibliothek Berthold Litzmann und aus anderem Besitz: deutsche Literatur und die deutsche Buchillustration des 18. Jahrhunderts : Versteigerung Donnerstag und Freitag, den 24. u. 25. Mai 1928 — München, 1928

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https://doi.org/10.11588/diglit.29879#0072
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— ein prächtiges Buch der Auszug aus Brockes! —, der wunderliche
Stecher Sysang und der ältere Crusius; der letztere schon hinüberleitend
in die Blütezeit der Illustration an der Grenze zwischen Rokoko und Klassi-
zismus. Er zeichnet früh die wundervollen Kupfer zu Schönaichs Herr-
mann, die Sysang stach, und er selbst stach spät noch Chodowieckis Zeich-
nungen zu Salzmanns Elementarbuch. Die führende Schule aber dieser
zweiten Epoche war die Oesers an der Leipziger Akademie. Ihm ist ein
besonders breiter Raum gewährt; wir erwähnen als Rarissimum den Gil
Blas, das schöne Exemplar der Neuen Bibliothek und das entzückendste
Buch der Zeit: Weisses lyrische Gedichte. Oesers gelehriger Schüler und
der Stecher der Zeichnungen der ganzen Schule ist Geyser, der deutsche
Stecher des Jahrhunderts. Neben Leipzig wird Berlin Hauptsitz der Kunst-
übung — freilich keines einheitlichen Betriebes. Meil und Chodowiecki,
jeder ein eigener, keiner Schule entsprossener, sind mit schönen Exem-
plaren angedeutet; prächtig die eleganten Kupfer zur Clarisse, die biede-
ren zum Salzmann und Meils zahlreiche frühen Vignetten. Mannheim, (wie
grundverschieden von allem anderen!), München, die Schweiz folgen.

Den dritten Abschnitt bildet die klassizistische Illustration; ein Wider-
spruch in sich selbst eigentlich, denn der Klassizismus ist seinem ganzen
Wesen nach illustrationsfeindlich. So verschwinden die organisch dem
Buche eingegliederten Vignetten, meist bleiben nur noch repräsentative
Titelkupfer, der innere Zusammenhang geht verloren. In dieser letzten
Frist, die dem Kupferstich als Illustrationsmittel gewährt ist —• sie dauert
bis etwa 1820 und ist dem 18., nicht dem 19. Jahrhundert einzugliedern —,
rettet sich Kunst und Bemühung in die Kalender und Almanache. Die
Wiener Stecher sind vorherrschend, geworden, Böhm, John und Kohl haben
die breiteste Wirksamkeit. Der Berliner Bolt übertrifft sie freilich in seinen
Jugendarbeiten an technischem Reiz. Die eindrucksvollsten Blätter aber
stammen von Ramberg und Jury, die zu jenen im selben Gegensatz stehen,
wie Chodowiecki zu Oeser: Charakteristik gegen ideale Haltung.

Daß im folgenden manches sehr wichtige Stück fehlt, ließ sich nicht ver-
meiden. Es kam aber weniger darauf an, das Bekannte, schon Geschätzte
zu bringen, als vielmehr die Aufmerksamkeit darauf zu lenken, daß schul-
mäßige Zusammenhänge und zeitliche Gebundenheiten bestehen, daß zwi-
schen den wenigen bisher bekannten Namen sich weitere einfügen, kurz,
daß sich ein viel reicheres und auch wesentlich anderes Bild ergibt als das
herkömmliche. Vollends war die übliche Meinung zu zerstören, die Ver-
legersadt Leipzig habe aus Mangel an eigenen Illustratoren ihre Aufträge
nach auswärts vergeben müssen.

Wenn nur einige Sammler veranlaßt würden, auch die Vignetten ge-
nauer anzusehen, die nicht von Meil oder Chodowiecki stammen, wenn sie
daraus neue Kenntnisse und Impulse gewännen, wäre eines der schönsten
bibliophilen Kapitel erschlossen.

Hans Mollier.
 
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