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Karl und Faber Kunst- und Literaturantiquariat [Hrsg.]
Katalog / Karl & Faber, München (Nr. 35): Bibliothek Berthold Litzmann und aus anderem Besitz: deutsche Literatur und die deutsche Buchillustration des 18. Jahrhunderts : Versteigerung Donnerstag und Freitag, den 24. u. 25. Mai 1928 — München, 1928

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https://doi.org/10.11588/diglit.29879#0004
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VORWORT

Die Bibliothek Berthold Litzmanns, des bekannten Literarhistorikers,
dessen Hauptarbeitsgebiete das späte 17. und das 18. Jahrhundert waren, ist
eine typische Gelehrtenbibliothek im edelsten Sinn. In schlichten Einbänden
der Zeit, der einfachen Lebenshaltung des bücherkaufenden Publikums des
18. Jahrhunderts entsprechend, geben Litzmanns Bücher ein treues Bild
seiner Tätigkeit. Bezeichnend für den Gelehrten ist es, daß er seine Arbeit
an der Erforschung der Vorbereitungszeit zur deutschen Hochrenaissance
entwickelt hat: In Christian Günther, dem enfant terrible der bürgerlichen
Gesellschaft, findet er die Ansätze zur Blüte deutscher Dichtkunst späterer
Jahrzehnte, der spielerischen Grazie Hagedorns, der teils schüchternen, teils
ätzenden Satire Liscows wird er ein liebevoller Interpret. Der elegante und
gewandte Götter, der letzte Vertreter des französischen Geschmacks, inter-
essierte ihn von Gesichtspunkten der Theatergeschichte aus, für die Litz-
mann als bahnbrechender Forscher angesehen werden muß. Die zwei be-
sonderen Bezirke seines Schaffens kristallisieren sich deutlich heraus:
Theatergeschichte des 18. Jahrhunderts mit dem großen Friedrich Ludwig
Schröder und dem ganzen Kreis der Ackermannischen Truppe im Mittelpunkt,
und — von dem weltlichen Theater „mehr als einen Erddiameter entfernt“ —
die Fragen um Hölderlins Schaffen.

Nun zu den Büchern. Zeitlich begrenzt wird die Sammlung durch die
Namen Opitz und C. F. Meyer. — All die ungeheuren Möglichkeiten und
Erfüllungen in der Entwicklung des deutschen Geisteslebens werden aus der
Bibliothek Litzmanns, die noch durch Beiträge von anderen Seiten her zu
einer nicht alltäglichen Vollständigkeit gediehen ist, ersichtlich. Opitz
Rist, Harsdörffer, Neumark, Morhof und Neukirch, Lohenstein und vor
allem Günther (in fast geschlossener Reihe der Ausgaben seiner Gedichte)
sind hier vertreten. Man findet die gelehrte Poesie Gottscheds, den notwen-
digen Zündstoff für Lessings lodernden Zorn, die Arbeiten seiner Anhänger,
der Triller und Schönaich, seiner Gegner Pyra, Bodmer und Breitinger in
seltener Mannigfaltigkeit. Brockes und sein Landsmann B. Feind zeugen für
die hohe Geisteskultur Hamburgs. Ungemein interessant sind die vielen
höchst seltenen Gelegenheitsgedichte der Karschin und die schöne Reihe
der Liscowischen Schriften. Nicolai, der geschäftige Aufklärer, der lebens-
kluge Freiherr von Knigge; Gerstenberg, der den Sturm und Drang vorbe-
reitete, Eschenburg mit seiner Shakespeare-Übersetzung, Hamann, der Magus
des Nordens, sind in schönen Ausgaben vorhanden. Neben den Schriften der
Kontroverse zwischen Mendelssohn und Lavater stehen die prachtvollen
Exemplare der Klingerschen Stücke. Aus den Reihen der reichen Gesamt- und
Erstausgaben der Klassiker sei besonders auf die Zeitschriften bingewiesen,
den Teutschen Merkur, die Horen, Thalia und die Propyläen. Der Taschenbü-
cher in ihrer preziösen und doch so einfachen Art sei hier gedacht mit den oft
sehr wertvollen Erstdrucken von Gedichten und Novellen der ganz Großen
der Literatur. Eine wirkliche Seltenheit für den Sammler ist das tadellose
Exemplar von Hölderlins Hyperion in der ersten Ausgabe. — Eine besondere
Abteilung bilden die Curiosa. — Mit Jean Paul, Tieck und E. T. A. Hoff-
mann gelangen wir in die Welt des 19. Jahrhunderts. Den Geist der neuen
Zeit vertreten Immermann mit den Erstausgaben seiner Dichtungen und der
Schweizer C. F. Meyer.

Der Überblick über das Ganze aber bringt es zum Bewußtsein, welch
Unterschied zwischen einer durch Ankauf für Zwecke einer Versteigerung
zusammengetragenen Masse von Büchern und einer, aus dem Schaffen
eines bedeutenden Gelehrten organisch entstandenen Bibliothek besteht.
 
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