XI
wesentlichsten Bestandteil mykenischer Religion
zu bilden.
Wohl sind minoische Göttertypen allmählich
eingedrungen, nicht nur auf Goldringen und
Gemmen, wo sie ja zunächst mehr als schöne
Bilder geschätzt sein konnten : der Stuckpinax
von Mykenai mit der Anbetung der gewappneten
Göttin durch zwei Frauen (Abb. 58) ist offenbar
ein Kultgerät, eine Art Tragaltar. Aber, wie
schon erwähnt, fehlen Kulträume in Palästen
und Häusern. Und ein Fortleben uralter
Ueberlieferung beweisen auch die bis ans Ende
der mykenischen Kultur in Wohnstätten und
Gräbern so überaus häufigen schematischen
kleinen Tonidole von Frauen, die freilich nun
stets langgewandet sind, sich aber im Stil von
den minoischen doch klar scheiden. So hat
auch im Religiösen das Festland seine Eigenart
gegenüber der überlegenen kretischen Kultur
gewahrt, und nachdem diese zerstört wurde,
ohne daß ihre Religion in späteren Denkmälern
fortlebte, erwuchs auf dem schon im II. Jahr-
tausend von verwandten Stämmen bewohnten
Boden das Hellenentum zu ganz selbständiger
Entfaltung. Leider sind wir über die Anfänge
dieser Entwicklung gar nicht unterrichtet, da
für die ganze nachmykenisch - geometrische
Kulturperiode Denkmäler von religiöser Be-
deutung so gut wie völlig fehlen. Kur so viel
läßt sich sagen, daß mit Ausnahme der wenigen
oben erwähnten Göttergestalten sich aus der
Kultur des II. Jahrtausends kaum etwas Reli-
giöses ins I. hinüberrettet. Vor allem die
entscheidenden Tatsachen helle-
nischen Kultes, der selbständige
Altarbezirk, der Tempel und das
Kultbild, sind offenbar ganz neue
Schöpfungen gewesen.
Wichtigste Literatur: Ed. Meyer, Geschichte
des Altertums, 3. Aufl., Stuttgart-Berlin 1913, I 2,
687 ff. D. Fimmen, Die kretisch-mykenische Kultur,
Leipzig 2. Aufl., 1924. Winter, Kunstgeschichte
in Bildern, 2. Aufl., I. Heft 3 (Seemann). Maraghi-
annis, Antiqu. cretoises I.—III., 1907 — 1915. G. Karo
in Pauly-Wissowasßeal-Encyclopädie XI 1921,1791 ff.
(die Aufsätze dess. Verf. im Archiv für Keligionswiss.
sind überholt und in Hauptpunkten verfehlt).
H. Bossert, Altkreta, 2. Aufl., Berlin 1923. A. Evans,
Cretan Pictographs and Pre-Phoenician Script, London
1895 (z. T. auch Journal of Hellenic Studies XIV
1894, 270 ff.): Mvcenaean Tree and Pillar Cult, Journal
of Hellenic Studies XXI 1901, 99ff : Scripta Minoa
1 1909. Fundberichte British School Ämmal VI—XL
Prehistoric Tombs of Knossos 1905. Tomb of the
Double Axes 1915. The Palace of Minos I 1921.
E. Seager. Exploration in the Island of Mochlos,
Philadelphia 1912. St. Xanthudides, The Vaulted
Tombs of Mesarä, Liverpool 1925. Athenische Mit-
teilungen XXXV 1910, 149ff. (Prinz). XXXVII 1912,
129 ff. (G. Kodenwaldt). Mon. ant. d. Lincei XII 1902,
S. 5 ff. XIII 1903, S. off. XIV 1904, S. 313ff.
XIX 1908, S. 5 ff. (Pernier, Halbherr, Savignoni,
Paribeni).
F'erner auch Dörpfeld-Schmidt-Goetze, Troja und
Ilion, Athen 1902. Wace-Thompson, Prehistoric
Thessaly, Cambridge 1912. G. Glotz, La civilisation
egeeune, Paris 1923, bes. 263 ff.
Georg Karo.
wesentlichsten Bestandteil mykenischer Religion
zu bilden.
Wohl sind minoische Göttertypen allmählich
eingedrungen, nicht nur auf Goldringen und
Gemmen, wo sie ja zunächst mehr als schöne
Bilder geschätzt sein konnten : der Stuckpinax
von Mykenai mit der Anbetung der gewappneten
Göttin durch zwei Frauen (Abb. 58) ist offenbar
ein Kultgerät, eine Art Tragaltar. Aber, wie
schon erwähnt, fehlen Kulträume in Palästen
und Häusern. Und ein Fortleben uralter
Ueberlieferung beweisen auch die bis ans Ende
der mykenischen Kultur in Wohnstätten und
Gräbern so überaus häufigen schematischen
kleinen Tonidole von Frauen, die freilich nun
stets langgewandet sind, sich aber im Stil von
den minoischen doch klar scheiden. So hat
auch im Religiösen das Festland seine Eigenart
gegenüber der überlegenen kretischen Kultur
gewahrt, und nachdem diese zerstört wurde,
ohne daß ihre Religion in späteren Denkmälern
fortlebte, erwuchs auf dem schon im II. Jahr-
tausend von verwandten Stämmen bewohnten
Boden das Hellenentum zu ganz selbständiger
Entfaltung. Leider sind wir über die Anfänge
dieser Entwicklung gar nicht unterrichtet, da
für die ganze nachmykenisch - geometrische
Kulturperiode Denkmäler von religiöser Be-
deutung so gut wie völlig fehlen. Kur so viel
läßt sich sagen, daß mit Ausnahme der wenigen
oben erwähnten Göttergestalten sich aus der
Kultur des II. Jahrtausends kaum etwas Reli-
giöses ins I. hinüberrettet. Vor allem die
entscheidenden Tatsachen helle-
nischen Kultes, der selbständige
Altarbezirk, der Tempel und das
Kultbild, sind offenbar ganz neue
Schöpfungen gewesen.
Wichtigste Literatur: Ed. Meyer, Geschichte
des Altertums, 3. Aufl., Stuttgart-Berlin 1913, I 2,
687 ff. D. Fimmen, Die kretisch-mykenische Kultur,
Leipzig 2. Aufl., 1924. Winter, Kunstgeschichte
in Bildern, 2. Aufl., I. Heft 3 (Seemann). Maraghi-
annis, Antiqu. cretoises I.—III., 1907 — 1915. G. Karo
in Pauly-Wissowasßeal-Encyclopädie XI 1921,1791 ff.
(die Aufsätze dess. Verf. im Archiv für Keligionswiss.
sind überholt und in Hauptpunkten verfehlt).
H. Bossert, Altkreta, 2. Aufl., Berlin 1923. A. Evans,
Cretan Pictographs and Pre-Phoenician Script, London
1895 (z. T. auch Journal of Hellenic Studies XIV
1894, 270 ff.): Mvcenaean Tree and Pillar Cult, Journal
of Hellenic Studies XXI 1901, 99ff : Scripta Minoa
1 1909. Fundberichte British School Ämmal VI—XL
Prehistoric Tombs of Knossos 1905. Tomb of the
Double Axes 1915. The Palace of Minos I 1921.
E. Seager. Exploration in the Island of Mochlos,
Philadelphia 1912. St. Xanthudides, The Vaulted
Tombs of Mesarä, Liverpool 1925. Athenische Mit-
teilungen XXXV 1910, 149ff. (Prinz). XXXVII 1912,
129 ff. (G. Kodenwaldt). Mon. ant. d. Lincei XII 1902,
S. 5 ff. XIII 1903, S. off. XIV 1904, S. 313ff.
XIX 1908, S. 5 ff. (Pernier, Halbherr, Savignoni,
Paribeni).
F'erner auch Dörpfeld-Schmidt-Goetze, Troja und
Ilion, Athen 1902. Wace-Thompson, Prehistoric
Thessaly, Cambridge 1912. G. Glotz, La civilisation
egeeune, Paris 1923, bes. 263 ff.
Georg Karo.