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Kauffmann, Hans
Albrecht Dürers rhythmische Kunst — Leipzig: Verlag von E. A. Seemann, 1924

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https://doi.org/10.11588/diglit.59482#0102
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Plastikers eröffnet. Denn auch er war nicht der erste Erfinder dieser
Rhythmik, sondern er hat antike Darstellungsformen erneuert.
Mögen immerhin die Medaillons im Hof des Palazzo Riccardi Werk-
stattarbeiten sein, sicherlich sind sie unter Donatellos Aufsicht ent-
standen. Sie wurden nach antiken Mustern, Gemmen und einem
Sarkophagrelief hergestellt und von diesen stammt auch ihre Rhyth-
mik ab1).
Seit Donatellos Aufenthalt in Rom (1432—33) vermögen wir in
seinen Werken mit sonstigen antiken Neuerungen2) den Rhythmus
festzustellen. Diese neue Errungenschaft entnahm er dem Studium
antiker Reliefs. Römische Sarkophage müssen es vornehmlich ihm
angetan haben.
Der Rhythmus gibt uns also Gelegenheit, eine Typenwanderung zu
verfolgen. In der klassischen Zeit des Phidias begründet, im Helle-
nismus und in der römischen Kunst weiter gepflegt, ist er in den
frühchristlichen Jahrhunderten verloren gegangen. Auch die italieni-
sche Protorenaissance (Pisani, Giotto) entdeckte ihn noch nicht. Erst
als in der ersten Hälfte des Quattrocento das archäologische Studium
einsetzte, wurde er aus den antiken Denkmälern herausgeholt und
wirkte an der Reife der Renaissance mit. Dies ist aber Donatello zu
verdanken; er vollbrachte damit eine stilgeschichtliche Tat.
Ihre Wirkung auf seine zeitgenössischen und nachfolgenden Lands-
leute war jedoch minder tief und allgemein, als man erwarten sollte.
Sowohl die florentiner Plastiker wie die Maler eigneten sich das ver-
jüngte Erbe nur vereinzelt an, weil die Raumphantasie dominierte und
plastische Gestaltung Hauptziel blieb. Erst am Ende des Jahrhunderts
bemächtigten sich die Künstler dieser Bewegungsrhythmik häufiger;
Botticelli (Filippino Lippi) wird Führer, und Raphael und Michel-
angelo werden Gefolgsmänner. Immer aber sind es die großen Meister,
die es sich aneignen, die mit Eifer der Antike sich widmen und mit
bewußter Absicht durch dies Überlebsei des Altertums den eigenen
Werken klassischen Charakter haben aufprägen wollen. Und darum
F. S c h o 11 m ü 11 e r , a. a. O. S. 90 f.; P. Schub ring, Die italienische
Plastik des Quattrocento, Handb. d. Kunstw., Berlin-Neubabelsberg, s. a., S. 67.
2) F. Burger, Repertorium f. Kunstw., XXX (1907), S. 1 ff.; E. Müntz,
Donatello, Les artistes celebres, Paris, s. a., S. 107; O. Sir en, Essentials in art,
London 1920, S. 93 ff.; M. Sem rau, Donatello, Thieme-Beckers Künstlerlexikon,
IX (1913), S. 422.

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