Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kautzsch, Rudolf
Die romanischen Dome am Rhein — Bibliothek der Kunstgeschichte, Band 44: Leipzig: Verlag von E. A. Seemann, 1922

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.55553#0011
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Speier: die kräftige Betonung der konstruktiv bedeut-
samen Gliederung; die schlichte, aber plastische Form;
das Gefühl für die Fläche und ihren Funktionsausdruck;
der sparsam verteilte phantastische Schmuck [man be-
achte namentlich die Tiere in den Fenstern der Ostfront
(Abb. 19 a)]. In allem waltet ein klug austeilender, durch-
aus auf das Mächtige gerichteter Geist. Und dieser Geist
hat nichts mit der Gesinnung der Gotiker im Westen ge-
mein. Vielmehr sind seine feierlich hohen weiten Räume
ebenso klar geformt und sicher geschlossen wie einst die
Räume der ottonischen Dome. Vor ihnen haben sie nur
die reichere und strengere Durchbildung der Wände und
vor allem die vollendete Monumentalität voraus — bis
hinauf in die Gewölbe (Gewölbe über schweren Rippen!).
Das Lebensgefühl aber, das sie füllt, ist das gleiche.
Und wie jene ottonischen Bauten, so wendet sich auch
unser Werk nach außen als prachtvoll gegliederte Bau-
masse, fest auf die Erde gegründet, bildhaft durch-
gestaltet, wuchtig ernst und reich zugleich. So entfaltet
sich eine Kunst, die mit der Kunst der karolingisch-
ottonischen Zeit ebenso verwandt ist, wie auf der ande
ren Seite einst der Dom von Straßburg und der Dom
Konrads II. und Heinrichs III. zu Speier die Empfin-
dung der altchristlichen Basilika erneuert hatten.
Das Langhaus des Wormser Doms führt das System
des ersten östlichen Joches mit leichten, mehrfach wech-
selnden Veränderungen weiter fort (Abb. 17 a). Dagegen
stellt der Westchor eine neue, die letzte Phase in der
Entwicklung der romanischen Dombauten am Rhein
dar. Er ist etwa gleichzeitig mit dem Westchor des
Mainzer Doms errichtet, bildet wie dieser eine Erneuerung
eines älteren ottonischen Westbaus, geht aber in der
Durchformung noch über den Mainzer Chor hinaus.
In Mainz wurde jetzt (um 1200) das Querhaus des
Willigisbaus, das bis dahin stehengeblieben war, durch
einen Neubau ersetzt. Uber die Vierung kam ein hoher

9
 
Annotationen