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Kautzsch, Rudolf
Die romanischen Dome am Rhein — Bibliothek der Kunstgeschichte, Band 44: Leipzig: Verlag von E. A. Seemann, 1922

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https://doi.org/10.11588/diglit.55553#0012
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heller Kuppelturm. An diese breit gelagerte Raumfolge
schloß man in der Mitte gegen Westen einen quadra-
tischen Chor an, der sich nach drei Seiten polygonal
erweitert, also eine Art Kleeblatt bildet. Das ergab
nach Innen eine prachtvoll abgestufte Raumgruppe,
nach außen ein äußerst vielgliedriges Ganzes, dessen
Teile sich einst, als der Mittelturm noch nicht wie heute
gotisch und barock überhöht war, noch deutlicher aus-
einanderleglen (Abb. 20). Zwei Treppentürmchen be
reichern weiter die Umrisse der Baumasse, die, unten
vermutlich immer eingebaut, in den oberen Zonen aus
das Mannigfaltigste geschmückt ist.
In Worms errichtete man zwischen den ottonischen
Westtürmen (die man nur teilweise erneuerte), einen
rechteckigen Vorderchor mit einem Kuppelturm dar-
über, und daran sügte man eine hohe polygone Apsis
(Abb. 18). Innen wie außen gewinnt man den Eindruck,
als ob der Raum, die Masse, eingeengt, zunächst empor-
getrieben werde, gleichzeitig aber sich mächtig nach
außen weite. Der Aufbau verrät eine geistreiche Ver-
bindung des Systems, das wir schon in Speier kennen
gelernt haben (Verstärkung der Ecken, Erleichterung
der Wände durch Nischen), mit einzelnen gotischen
Elementen. Aber wie ungotisch ist auch hier das Ganze:
diese feste Gründung auf der Erde; diese bildhaste Aus-
breitung; diese spielend ausgegossene Mannigfaltigkeit
des Schmucks, kaum gebändigt durch symmetrische An-
ordnung und horizontale Bindungen; dieser Reichtum
in Linien, Licht und Schatten; diese irdische Festigkeit
endlich in den steinernen Dachpyramiden!
Mit diesen ihren letzten Bauten bekennen sich die
romanischen Dome am Rhein noch einmal zum Dies-
seits, dessen Erscheinungsformen sie in Räumen und
Massen künstlerisch gestalten, steigern und feiern.

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